Prozess um Youtube-Video:Mit Blaulicht im Punk-Video

Lesezeit: 2 min

"Blaulicht, traurig, Sirenen, Hyänen" - so wird in dem Punk-Video "Tatütata" die Polizei verspottet. Auch ein Beamter mit seinem Streifenwagen tritt auf. Er hat nicht mit der Humorlosigkeit seines Arbeitgebers gerechnet.

Von Ekkehard Müller-Jentsch, München

Düstere Gestalten mit pechschwarzem Bart und rotem Hahnenkamm, Stinkefinger, das gegrölte F-Wort und mehrmals die Zeile "Blaulicht, traurig, Sirenen, Hyänen". Nein, gute Werbung für die Polizei sieht wirklich anders aus. Freundliche Uniformierte, die Schulanfängern über die Straße helfen: So will der Staat seine Beamten sehen. Aber ein echter Kommissar in dienstlichem Grün, der mit dem neuen Streifenwagen seiner Dienststelle in einem polizeifeindlichen Punk-Video mitspielt - das geht gar nicht.

Zigtausende haben das Youtube-Video des Allgäuer Hüttenwirts und Punkrockers Karl Gehring schon angeklickt: "Tatütata". Der verwitterte Sänger, der sich und seine Band hier El Carlos nennt, saß nun als Beklagter im Landgericht München I. Neben ihm Video- und Musikproduzent Martin Kilger. Ihnen gegenüber besagter Kommissar: Der war erst als Freund und Helfer beim Videodreh mit dabei. Nun ist er verbitterter Gegner und Kläger. Denn der Mann in Grün hatte blauäugig die Humorlosigkeit seines Dienstherrn vollkommen unterschätzt.

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600 Euro Bußgeld und Innendienst

Der Beamte sollte im Auftrag seiner Vorgesetzten nun das Unmögliche vollbringen und das unbotmäßige Video aus dem Internet verbannen. Lehrgeld zahlen musste er obendrein. Wahrscheinlich ist er mit 600 Euro Bußgeld und fünf Jahren Beförderungssperre sogar noch glimpflich davon gekommen. Das Schlimmste für ihn ist wohl, dass er zudem nur noch Innendienst schieben darf.

Dabei hatte er sich nichts Böses gedacht. Denn eigentlich ist Hüttenwirt Gehring ein skurriler Typ, ehemaliger Ski-Profi, musisch begabt. Dass er während der Verhandlung lieber den Richter und die Zuhörer zeichnete, passt zu ihm. "Ich kann zwei Dinge zugleich", antwortete er auf die Frage des Vorsitzenden, ob er auch alles verstanden habe: "Duschen und Einseifen."

"Überflüssiges Verfahren"

Der Richter der 9. Zivilkammer fand das umstrittene Video sogar "ganz witzig", obwohl er sich für diese Art der Musik nicht erwärmen könne. Den Prozess, in dem er nun richten sollte, sah er dagegen als "überflüssiges Verfahren". Er machte gleich deutlich, dass an einen Unterlassungsanspruch gegen das Musikvideo gar nicht zu denken sei. Was Produzent Kilger schon freiwillig gemacht habe, nämlich den Polizisten und seinen gleichfalls mitwirkenden Kollegen sowie das Autokennzeichen zu pixeln und so unkenntlich zu machen, sei genug.

Denn der Kommissar, der privat ein bisschen bei dem Videomacher hospitiert hatte und so in die Punk-Session auf der Alm geraten war, hatte selbst die zündende Idee gehabt, sich mitsamt dem Streifenwagen in Szene zu setzen. So blieb den Anwälten nicht viel mehr als auszuhandeln, welche Seite welche Prozesskosten zu tragen habe. Dann trennte man sich für immer.

© SZ vom 17.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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