Prozess:Mutter des Flughafenbabys zu Haftstrafe verurteilt

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  • Die 24-jährige Erzieherin hat auf einer Toilette am Münchner Flughafen ein Kind zur Welt gebracht und dort zurückgelassen.
  • Unter welchen Umständen genau das Mädchen zur Welt gekommen ist, bleibt ungeklärt.
  • Nun wurde die Frau zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt.

Von Peter Becker

Nur einer Verkettung von glücklichen Umständen hat es das sogenannte Flughafenbaby zu verdanken, dass es heute noch am Leben ist. Seine Mutter, eine 24-jährige Erzieherin, hatte es vor gut einem Jahr hilflos in einer Toilette am Münchner Flughafen zurückgelassen. Die 6. Strafkammer am Landshuter Landgericht unter dem Vorsitzenden Richter Markus Kring verurteilte die jungen Frau am Freitag wegen versuchten Totschlags in einem minderschweren Fall und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten.

Staatsanwalt Klaus Kurz und der Nebenkläger, der die mittlerweile ein Jahr alte Tochter der Angeklagten vertrat, hatten jeweils eine Freiheitsstrafe von acht Jahren gefordert. Rechtsanwalt Adam Ahmed sah bei seiner Mandantin nur den Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung erfüllt. Die Strafe dafür sollte durch die Untersuchungshaft abgegolten sein.

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Die 24-Jährige bestreitet, das Baby stranguliert und in die Toilette gedrückt zu haben. Nun möchte sie Verantwortung für ihre Tochter übernehmen.

Von Peter Becker

Die Angeklagte sei kein kalt planendes Monster, sagte Richter Kring in der Urteilsverkündung. Er hätte sich aber gewünscht, dass die 24-Jährige offen ihre Motive dargelegt hätte. Dann wäre die Strafkammer in manchen Dingen nicht nur auf Schlussfolgerungen angewiesen gewesen. Dass dies nicht möglich gewesen sei, dafür gab er dem Verteidigungsverhalten von Rechtsanwalt Ahmed die Schuld. Prozessuales Geplänkel, das möglicherweise schon eine Revision vorbereiten solle, habe es verhindert, dass sich die Strafkammer ein Gesamtbild habe verschaffen können.

Die Beschuldigte hatte angegeben, erst sechs Wochen vor der Geburt bemerkt zu haben, dass sie schwanger sei. Zu dieser Zeit hatte sie als Au-Pair-Mädchen in Dubai gearbeitet. Dort habe sie auch begonnen, sich mit ihrer Schwangerschaft auseinanderzusetzen. Statt Hilfe zu suchen, habe sie sich als Erwachsene trotzdem wie ein Kind verhalten.

Richter Kring sagte, sie habe gewusst, dass ihre Eltern sie unterstützt hätten. Der Kindesvater und auch ihre späterer Verlobter hatten ihr über soziale Medien versichert, sie würden sich um das Kind kümmern wollen. Kring sagte, es habe aber keine Tatplanung im eigentlichen Sinn vorgelegen. Weder in Dubai noch beim Betreten der Toilette habe sie Tötungsabsichten gehegt.

Wie das Gericht die Geschehnisse rekonstruiert

Unter welchen Umständen genau das Mädchen zur Welt gekommen ist, bleibt ungeklärt. Die Strafkammer geht davon aus, dass die 24-Jährige ihr Kind in den Händen gehalten hat. Anschließend wartete sie die Nachgeburt ab. Danach legte sie Plazenta und Tochter in eine Kloschüssel und betätigte die Spülung. Anders sei es nicht zu erklären, warum die Plazenta so tief im Siphon feststeckte, hatte ein Zeuge erklärt.

Die Mutter hatte es überdies unterlassen, das Kind von der Nabelschnur zu befreien, die sich dreimal um seinen Hals geschlungen hatte. In jedem Fall muss das Neugeborene Lebenszeichen von sich gegeben haben. "Es war fit und vital, sonst hätte es überhaupt nicht überlebt", sagte Richter Kring. Überall auf der Welt sei es die rechtliche und sozialethische Pflicht der Mutter, ihr Kind von einer Nabelschnur zu befreien, die um seinen Hals geschlungen ist.

Dass es der Frau nicht möglich war, ihren Eltern zu gestehen, dass sie gerade auf der Toilette Mutter geworden ist, kann die Strafkammer nachvollziehen. Sie geht aber nicht von einer schweren Belastungsstörung infolge des unerwarteten Geburtsvorgangs aus. Denn dann hätte die Angeklagte sich auf der Fahrt nach Hause nicht so bemüht unterhalten, weil sie das Gefühl hatte, die Eltern seien auf sie sauer.

Zu so einer Wahrnehmung sei jemand, der unter einen akuten psychischen Störung leidet, nicht fähig. Die Niedergeschlagenheit, die Tage später bei der 24-Jährigen wahrgenommen wurde, führt Kring auf den Umstand zurück, dass ihr die Folgen ihres Verhaltens in der Toilette klar geworden seien.

© SZ vom 25.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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