Prozess:"Haut ihn blutig und ruft erst dann die Polizei"

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  • Tzaner R. wurde vom Amtsgericht verurteilt, weil er im Juni 2016 auf Facebook zu einer Straftat aufgerufen hat.
  • Der damals 19-Jährige hatte ein Polizeifahndungsfoto von einem mutmaßlichen Kinderschänder gepostet und die Leser dazu aufgefordert, den Mann zu verprügeln.
  • Weil der Angeklagte sich nicht an die damaligen Auflagen gehalten hatte, musste er nun erneut vor Gericht.

Von Susi Wimmer

Wenn sich Richter an ihre Klienten erinnern, dann sind das oft nicht die allerbesten Voraussetzungen für den Angeklagten. "Ah, der Herr R.", begrüßt Markus Rhein den jungen Mann, der gerade den Gerichtssaal betritt. Erst vor ein paar Monaten hatten sich Richter und Angeklagter vor dem Amtsgericht getroffen, weil der damals 19-Jährige auf Facebook die Leute dazu aufgefordert hatte, einen mutmaßlichen Kinderschänder "blutig zu schlagen". Das Verfahren wurde gegen Auflagen eingestellt, aber "der Herr R." hatte sich an dieselbigen nicht gehalten.

"Ja, das war eine Dummheit", schallt es diesmal wie schon damals von der Anklagebank. Im Juni 2016, als er von der Nachtschicht heimgekommen sei, habe er ein Polizeifahndungsfoto im Netz entdeckt. "Von einem, der kleine Kinder anmachen soll." Das hat er via Facebook gepostet, mit dem Zusatz an die Internetgemeinde, "haut ihn blutig und ruft erst dann die Polizei". Die Polizei war sehr schnell zur Stelle, sperrte seinen Account und erstattete Anzeige wegen Anstiftung zu einer Straftat.

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Wenig später sahen sich Richter Rhein und Tzaner R. im Gerichtssaal und der Vorsitzende verfügte die Einstellung des Verfahrens mit den Auflagen, der 19-Jährige müsse den Kurs "Korrekt im Web" besuchen und außerdem Beratungsgespräche beim Jugendamt wahrnehmen. Da er diesen Anweisungen nicht nachkam, wurde das Verfahren wieder aufgenommen.

"Ja, keine Ahnung, ich bin meinen Pflichten nicht nachgekommen", antwortet der junge Mann auf die Frage des Richters, warum er sich nicht an die Auflagen gehalten habe. Dreimal wurde er vom Jugendamt zum Gespräch geladen - aber er kam nicht. Die Gespräche sollten dazu dienen, dem 19-Jährigen Hilfestellungen im Leben zu bieten. Tzaner R. wuchs in Griechenland auf, der alkoholabhängige Vater schlug seine Frau, 1987 kam die Familie nach Deutschland.

"Lassen Sie sich bei mir nicht mehr blicken!"

Die Mutter trennte sich, versuchte, den Sohn alleine groß zu ziehen, "aber die Lebenssituation ist schwierig", sagt der Richter, ohne auf Details einzugehen. Tzaner R. machte seinen Quali, brach aber vor der Mittleren Reife die Schule ab und fing eine Gießereilehre an. Doch für die Schuleinheiten musste er in eine andere Stadt reisen, das sei zu weit weg gewesen. Dann begann er bei einer Sicherheitsfirma zu arbeiten. "Da wurde mir jetzt im Januar gekündigt, weil die nicht mehr so viele Leute brauchen, weil die Flüchtlingswelle zurückgegangen ist."

800 Euro Arbeitslosengeld bleiben ihm momentan. "Aber ich will mich in der Sicherheitsbranche weiterbilden, eine Sachkundeprüfung absolvieren und den Waffenschein machen." Eine Idee, an der Richter Rhein so seine Zweifel hat: Drei Einträge im Bundeszentralregister wegen Diebstahls und räuberischer Erpressung, "ich würde Ihnen keinen Waffenschein geben", sagt er. Am Ende schließt sich der Richter fast komplett dem Antrag der Staatsanwaltschaft an und brummt ihm neben den Gesprächen und dem Kurs noch die Verfahrenskosten auf. Bei Zuwiderhandlung droht ein bis zu vierwöchiger Ungehorsamsarrest, sagt der Richter. Und: "Lassen Sie sich bei mir nicht mehr blicken!"

© SZ vom 07.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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