Die Staatsanwaltschaft hat im Prozess um den Stalking-Mord an einer Architektin lebenslange Haft mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld für den Angeklagten Roland B. beantragt. Er soll seine ehemalige Freundin Tsin-leh L. jahrelang verfolgt und im August 2016 in ihrem Hauseingang in Obergiesing heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen ermordet haben. Die Beweislast der Indizien ist erdrückend.
Auch der Pflichtverteidiger lässt keinen Zweifel daran, dass sein Mandant die Tat begangen hat. Er stellt allerdings die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in Frage. Und der angeklagte Roland B.? Er bleibt seinem Gehabe treu, seinem "beleidigenden Schauspiel für die Angehörigen, seinem erbärmlichen Hungerstreik", wie es der Staatsanwalt in seinem Plädoyer nennt. Roland B. hat das letzte Wort vor der Urteilsverkündung. Und er sagt, wie immer: nichts. Das Landgericht München I wird seine Bewertung der Tat im Urteil am 2. November verkünden.
Elf Verhandlungstage sind vergangen, an denen Polizisten, Sachverständige und Zeugen Licht ins Dunkle bringen sollten. Es galt, eine Tat aufzuklären, die kein Zeuge mit eigenen Augen gesehen hat. Noch dazu schwieg der 46-jährige Angeklagte. Mehr noch: Er trat aus Protest gegen die Justiz in Hungerstreik. Er mäkelte über seinen Pflichtverteidiger , verlangte Zugriff auf seinen Computer, was ihm auch gewährt wurde.
Die Liebesgeschichte zwischen Roland B. und Tsin-leh L. ist schnell erzählt. Die beiden Architekten lernten sich im August 2008 in Dublin kennen. Sie eine lebenslustige Person mit vielen Kontakten, offen und lebendig. Er wird von seinen wenigen Freunden als sachlich, hartnäckig, asketisch und auch untergründig aggressiv beschrieben. Nach einem Jahr trennt sich Tsin-leh L. von ihm und zieht nach München. Er nimmt immer wieder Kontakt zu ihr auf, sie schreibt ihm 2010 klipp und klar: "Ich habe keine Lust mehr." Tatsächlich lässt Roland B. von ihr ab. Zunächst.
Im April 2012 taucht er wieder auf. Was dann folgt, war laut Staatsanwalt Laurent Lafleur für die Frau "die Hölle". Ihr Bruder sagte vor Gericht: "Der Mord war nicht am 16. August 2016. Er begann schon 2012." Roland B. lauerte der Architektin immer wieder auf. Er lungerte vor ihrem Arbeitsplatz herum, verfolgte sie mit dem Rad. Er trug sogar eine Tasche mit Stalking-Utensilien mit sich: Sekundenkleber, Pfefferspray, Fernglas, Einweghandschuhe und eine Plastikkarte, um die Haustüre zu öffnen. Er verklebte ihr Türschloss, demolierte ihr Fahrrad, überzog sie mit nächtlichem Klingelterror. Am Nachmittag des 16. August will Tsin-leh L. in den Keller ihres Wohnhauses gehen, um ihr Fahrrad zu holen. Da sticht Roland B. laut Anklage mit einem Buchbindermesser 18-mal auf sie ein.
Staatsanwalt Lafleur sieht die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe als erfüllt an. Das Opfer sei arg- und damit auch wehrlos gewesen. Der Täter habe aus "ungehemmter Eigensucht" gehandelt und seinen Willen über den der Geschädigten gestellt. Lafleur fordert neben der Verurteilung wegen Mordes auch die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.
Ein Gutachter hält B. für voll schuldfähig
Das heißt, Roland B. könnte auch nach 15 Jahren Haft nicht mit einer Entlassung rechnen. Man könne nichts zu seinen Gunsten rechnen, hielt Lafleur dem Angeklagten vor. Er habe durch sein jahrelanges Nachstellen dafür gesorgt, dass die Frau in einem "Klima der Angst" leben musste. Gefährderansprachen und eine Verurteilung seien an ihm abgeprallt, "er ging dann nur noch verdeckter und boshafter vor".
Pflichtverteidiger Maximilian Müller verweist in seinem Plädoyer auf die psychischen Probleme des Angeklagten und dass seine Einsicht am Tattag "möglicherweise getrübt" gewesen sei. Müller spricht von einer "wahnhaften Fixierung auf die ehemalige Beziehung". Zuvor hatte allerdings der psychiatrische Gutachter Hennig Saß Roland B. die volle Schuldfähigkeit attestiert. Er sprach von einer Anpassungsstörung, zwanghaften und narzisstischen Zügen, diagnostizierte aber keine tiefgreifende Persönlichkeitsstörung.
Die 45 Jahre alte Tsin-leh L. hatte gegen eine Krebs-Erkrankung gekämpft, "aber nie den Kopf hängen lassen", erzählte ihr Bruder. Sie wollte nur "in Ruhe leben", sagte sie bei der Polizei. Sie wehrte sich gegen Roland B., erwirkte Kontaktverbote, tat alles, was juristisch möglich war. Vergebens. Wie der Staatsanwalt im Plädoyer sagt: "Es ist besonders erschütternd, dass der Staat nicht in der Lage war, sie zu schützen."