Meiling-Prozess:Ausgeraubte Rentnerin spricht über zweitägiges Martyrium

Lesezeit: 2 min

  • Im Prozess gegen eine Einbrecherbande, die 2015 in Meiling bei Seefeld im Landkreis Starnberg ein Ehepaar überfallen und den Rentner tödlich verletzt hatte, hat die Witwe vor Gericht ausgesagt.
  • Die 70-Jährige leidet seit der Tat an einer psychischen Belastungsstörung, wirkt während ihrer Aussage gefasst und resolut.
  • Zwei Tage eingesperrt in einer Abstellkammer überlebte sie wohl nur, weil sie sich ihren Wasservorrat drastisch rationierte.

Von Andreas Salch

"Frau S.? Sie können mich hören?", fragt Richter Thomas Bott die 70-jährige Therese S. (Name geändert) aus Meiling im Landkreis Starnberg. "Guten Morgen Herr Richter", antwortet die Rentnerin. Anfang September 2015 waren sie und ihr Mann kurz vor Mitternacht von einer Bande, die in ihr Anwesen eingedrungen war, niedergeschlagen und ausgeraubt worden. Therese S.s Mann überlebte die Tat nicht. Er starb qualvoll neben seiner Frau in einem kleinen Abstellraum, in dem die Täter beide eingesperrt hatten.

An diesem Freitagmorgen sitzt Therese S. in einem Raum im Hochsicherheitsgerichtssaal der Justizvollzugsanstalt in Stadelheim. Ihre Vernehmung wird per Videoschaltung auf eine große Leinwand in den Sitzungssaal übertragen. Das Gericht will ihr die Konfrontation mit den acht Angeklagten ersparen. Andernfalls, so Richter Bott, drohe sich der Zustand der 70-Jährigen zu verschlechtern. Seit der Tat leidet die Rentnerin an einer psychischen Belastungsstörung.

Prozess
:Rentner für 4500 Euro getötet - acht Angeklagte vor Gericht

Sie griffen den Rentner und seine Frau brutal an und sperrten beide in eine Kammer, um das Haus auszuräumen - der 72-Jährige starb. Der Prozessauftakt gestaltete sich schwierig.

Von Susi Wimmer

Therese S. sitzt an einem Tisch. Sie trägt ein kurzärmeliges rosafarbenes Poloshirt. In ihrer linken Hand hält sie ein Taschentuch. Sie braucht es nicht während ihrer Vernehmung. Die 70-Jährige wirkt gefasst und resolut. Sie spricht mit fester Stimme. Was ihr und ihrem Mann in jener Nacht des 4. September 2015 widerfahren ist, scheint unvorstellbar. Nachdem die Täter beide niedergeschlagen und mit Tritten malträtiert hatten, pferchten sie sie in eine rund zwei Quadratmeter kleine Abstellkammer. Mehr als zwei Tage waren die Seniorin und ihr Mann darin eingesperrt, ehe eine Zeitungsausträgerin, die bemerkt hatte, das in dem Haus etwas nicht stimmte, die Türe öffnete. Therese S.s Mann war zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Er erlag den schweren Verletzungen, die ihm die Täter zugefügt hatten. Die Zeitungsausträgerin sei ihre "Lebensretterin", sagt Therese S. bei ihrer Vernehmung.

"Wie geht's Ihnen heute", fragt Richter Bott die 70-Jährige zu Beginn ihrer Vernehmung. "So lala", lautet die Antwort. Sie solle alles erzählen, was passiert sei, bittet der Vorsitzende sie. Therese S. kann sich an erstaunlich viel, sogar an Details erinnern. Am frühen Abend habe es an der Türe geklingelt. Ein Fremder habe ihren Mann gebeten, ihm einen Kanister mit Wasser zu befüllen. Der Mann habe "weiße spitze Schuhe" getragen und "schöne gestylte Haare" gehabt. Von seinem Aussehen habe sie ihm niemals "so eine Brutalität zugetraut", sagt Therese S. Derselbe Mann habe sie auch getreten, als sie in ihrem Zimmer am Boden gelegen habe. Sie habe die weißen Schuhe wieder erkannt. Einer der Täter habe sie dann wieder vom Boden hochgezogen. "Wo Geld", habe er sie angeherrscht. Therese S. schleppte sich ins Wohnzimmer und gab ihm ihr Bargeld. Darüberhinaus sollen die Angeklagten Schmuck geraubt haben. Der Wert der Beute beträgt rund 5000 Euro.

Nachdem die 70-Jährige ihr Bargeld übergeben hatte, wurde sie in die Abstellkammer gedrängt. Nach einer Weile habe sie das Licht eingeschaltet. Neben ihr kauerte ihr Mann auf dem Boden. Blutüberströmt. "Ja Mo, wie schaugst denn Du aus", habe sie ihren Mann gefragt, berichtet Therese S. Sie habe ihn mit Wasser abgewischt, das sich in der Kammer befand. Der Wasservorrat rettete der 70-Jährigen womöglich das Leben. Bis zu ihrer Rettung trank sie davon "immer nur kleine Schlucke." Zu der Zeitungsausträgerin, die Therese S. aus der Kammer befreite, sagte sie: "Mein Mann braucht einen Notarzt." Dass er tot war, hatte sie in diesem Moment noch nicht begriffen. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 27.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ermittlungen
:So fasste die Polizei die Automaten-Sprenger

Die Jagd auf die inzwischen festgenommene Bande, die Geldautomaten ausraubte, klingt wie ein Action-Film. Hauptkommissar Benedikt Schmucker erklärt, wie die Ermittlungen abliefen.

Interview von Thomas Schmidt

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: