Prozess:Einbrecher erbeutet mehr als 130 000 Euro

Lesezeit: 2 min

  • Ein 30-Jähriger steht vor Gericht, weil er mehr als 130 000 Euro gestohlen haben soll. Er ist mehrfach vorbestraft und drogensüchtig.
  • Er wolle einen Schlussstrich unter seine kriminelle Karriere ziehen, sagt sein Verteidiger.
  • Nun wird es darum gehen, ob das Gericht einer weiteren Drogentherapie Erfolgsaussichten einräumt.

Aus dem Gericht von Stephan Handel

Alles klar: Skrupelloser Dieb, mehrfach vorbestraft, drogensüchtig, 48 Taten, außergewöhnlich hoher finanzieller Schaden - macht unterm Strich irgendwas um die sieben Jahre Haft. Manchmal aber, wie am Donnerstag in einem brütend heißen Gerichtssaal an der Nymphenburger Straße, verändert sich das, was in der Anklage noch so eindeutig erschien: Wenn hinter dem Täter und den Tatvorwürfen der Mensch erscheint.

Auf der Anklagebank sitzt Daniel K., 30 Jahre alt: Er wurde im Juni des vergangenen Jahres auf Bewährung aus der Haft entlassen, verbunden mit der Auflage, gleich eine Drogentherapie zu beginnen. Die aber war sofort wieder zu Ende, weil er schon zugedröhnt dort erschienen war, vollgepumpt mit Giften, die er in der JVA Landsberg offenbar problemlos bekam. Das hätte bedeutet: Bewährungswiderruf, weitere elf Monate im Knast. Das aber wollte K. nicht und machte sich ans Werk.

Kriminalität
:Wie die Münchner Polizei Einbrecher abschreckt

Mit dem Herbst kommen die Einbrecher. Im Vergleich zu anderen Städten trifft es Münchner aber seltener.

Von Günther Knoll

Die erste Masche: In Kneipen, Restaurants, Boazn klaute er den Kellnern ihre Geldbeutel, elf solcher Taten listet die Anklage auf, Schaden allein beim erbeuteten Bargeld: mehr als 5000 Euro. Schnell aber kam er auf eine noch lukrativere Methode - er schaute in Kleingartenanlagen nach, ob die Pächter der Parzellen bei der Arbeit waren, und klaute dann deren Taschen und Schlüssel. Sodann fuhr er, manchmal gleich mit dem Taxi, zu deren Wohnungen, kam mit dem Schlüssel problemlos hinein und klaute, was ihm lohnend erschien.

Als es Herbst wurde und in den Schrebergärten nicht mehr so viel Beute lockte, erstand K. ein Brecheisen und ging traditionell "auf Bruch", indem er Fenster oder Türen aufhebelte. Bei all diesen Wohnungseinbrüchen kam eine Menge zusammen: Die Anklage geht von einem Schaden von mehr als 130 000 Euro aus, von Juni bis November 2018, als er schließlich festgenommen wurde.

Gleich als erstes sagt Hannes Liedl, der Verteidiger: "Mein Mandant möchte dieses Verfahren nutzen, einen Schlussstrich unter seine kriminelle Karriere zu ziehen." Diese ist in der Tat lang und hat ihre Gründe noch vor den ersten Gesetzesbrüchen: Bei seiner Mutter ist K. aufgewachsen, die selbst ein Alkohol-und Drogenproblem hatte und, bis er neun Jahre alt war, fünf Kinder von vier Männern zur Welt brachte. Das Jugendamt holte ihn dort heraus, steckte ihn in ein Kinderheim, aber das ging auch nicht gut. Zwei Ausbildungen begann er und flog aus drei Firmen, weil er da schon während der Arbeitszeit Drogen konsumiert hatte, mit 13 hatte er zum ersten Mal gekokst.

Warum er im vergangenen Jahr zügellos Drogen nahm und Einbrüche beging, als gäbe es kein Morgen - das kann er selbst nicht erklären. Allerdings: Irgendwann ging er bei einem Pasinger Kindergarten vorbei und ließ 1000 Euro dort, "damit die mal in den Zoo gehen können". Schließlich meldete er sich bei seinem Anwalt aus den vergangenen Verfahren, der vermittelte ihm ein Telefonat mit einem Polizisten. Eine Stunde sprach er mit ihm, gab alles zu, sagte, er sei verzweifelt. Zum einzig vernünftigen Schritt, nämlich sich selbst zu stellen und die Konsequenzen zu tragen, konnte er sich aber nicht entschließen. Im jetzigen Prozess, der bis Mitte Juli angesetzt ist, wird es darum gehen, ob das Gericht einer weiteren Drogentherapie Erfolgsaussichten einräumt. Ob es ihm glaubt, dass er nun ein neues Leben beginnen will - und kann, ohne Drogen und ohne Straftaten.

© SZ vom 28.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: