Prozess:Die Erzählung von der schwierigen Kindheit

Prozess gegen 37-Jährigen wegen Mordes an seiner Schwester

Angeklagter Robert B., der sein Gesicht vor Beginn des Prozesses hinter einem Aktenordner verbarg, stammt aus Ungarn. Gerichtsdolmetscherin Monika Stahuber-Toth musste deshalb übersetzen.

(Foto: Alexander Heinl/dpa)
  • Vor etwa einem Jahr wurde Elvira S. tot in ihrer Luxuswohnung gefunden.
  • Nun steht ihr Bruder Robert B. vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er das Luxusleben seiner Schwester nicht ertragen konnte.
  • Der Angeklagte dagegen erzählt, er sei vergewaltigt, gedemütigt und geschlagen worden - und plötzlich habe sich die Wut auf seine Schwester entladen.

Von Susi Wimmer

Wenn es eine Hölle auf Erden gibt, Robert B. muss sie durchlebt haben. Im Alter von zwei Jahren ins Heim gesteckt, von der Mutter verstoßen, vom Vater vergewaltigt, von der großen Schwester sexuell missbraucht, gedemütigt und geschlagen. So zumindest erzählt er es. Im Februar 2016 dann habe sich seine ganze Wut über seine Schwester explosionsartig entladen: Er habe auf die 38 Jahre alte Elvira S. eingeschlagen, sie in den Schwitzkasten genommen und plötzlich sei die Kordel eines Designer-Schuhsacks um ihren Hals gelegen und er habe zugezogen.

"Sie können uns hier viel erzählen", murrt der Vorsitzende Richter Michael Höhne dann und wann. Die Staatsanwaltschaft jedenfalls geht davon aus, dass der in armen Verhältnissen lebende Bruder das Luxusleben seiner Schwester nicht ertragen konnte.

Die Strafkammer unter dem Vorsitzenden Höhne setzt sich aus zwei Schöffen und zwei Richtern zusammen - und einer hat immer ein Taschentuch dabei. Davon benötigt Robert B. einige, während er von seinem Leben erzählt. Wobei das Gericht dem Ungarn jedes Wort mittels Dolmetscherin aus der Nase ziehen muss. Flüssig kommt einzig und allein die Erklärung, die seine Anwältin Birgit Schwerdt in seinem Namen verliest.

Der Vater soll alle drei Kinder sexuell misshandelt haben

Darin ist von seiner Kindheit in einer ungarischen Kleinstadt die Rede, von seinem Vater, dem Alkoholiker und Straftäter, und von einer überforderten Mutter, die die drei Kinder ins Heim steckte und abhakte. Er sei da zweieinhalb Jahre alt gewesen, "ich klammerte mich an Elvira", lässt er kundtun. Er habe immer die Launen und Wutanfälle der ein Jahr älteren Schwester ertragen, "für mich war sie ein Halt, den ich bei Eltern nie fand". Der Vater soll alle drei Geschwister bei einem Besuch zu Hause sexuell misshandelt und vergewaltigt haben. Und auch Elvira habe von ihm sexuelle Handlungen, später sogar Geschlechtsverkehr verlangt. "Ich konnte mich nicht wehren", lässt Robert B. verlauten, der sein schwarzes Haar kurz rasiert trägt und während der Verhandlung ständig die dünnen Lippen aufeinander kneift und die Stirn in Falten legt.

Tatort, Thalkirchner Straße  56, Mord

Früher war hier das Arbeitsamt, dann entstand eine Wohnanlage. Aus ihrer Mietwohnung wollte die Frau eigentlich gerade ausziehen.

(Foto: Florian Peljak)

Im Alter von elf Jahren habe er versucht, sich mit einem Strick an einem Baum zu erhängen, doch das Seil sei gerissen. Ein Jahr später dann noch ein Suizidversuch, "doch der Ast brach ab", erzählt er. Mit 13 Jahren riss er aus dem Heim aus, auch, um dem psychischen Druck seiner Schwester zu entkommen. Liebe habe er erstmals erfahren, als er mit 18 Jahren seine spätere Ehefrau kennengelernt habe. Das Paar bekam drei Kinder, die Frau arbeitete als Altenpflegerin - Robert B. allerdings verdiente nur gelegentlich mit Schwarzarbeit etwas für die Familie dazu. Hauptsächlich lebte die Familie im südungarischen Gara von der finanziellen Unterstützung durch seine Schwester

Elvira S. hatte eine Beziehung zu dem Puchheimer Patent-Millionär Horst S. Wie sie ihn kennengelernt hat, ist nicht bekannt - angeblich soll sie früher auch als Prostituierte gearbeitet haben. Horst S. jedenfalls, der unter anderem die Pfandschlösser an Einkaufswägen erfunden hatte, ermöglichte der Frau ein angenehmes Leben in Seeshaupt am Starnberger See. Nach seinem Tod im Februar 2014 soll Elvira S. einen luxuriösen Lebensstil gepflegt und monatlich zum Teil 50 000 Euro ausgegeben haben. Laut Staatsanwaltschaft soll sie bis kurz vor ihrem Tod an Scientology rund 900 000 Euro gezahlt haben.

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