Prozess:46-Jähriger soll Frau und Kind eingesperrt und misshandelt haben

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  • Der Mann soll seine Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung täglich misshandelt und vergewaltigt haben.
  • Vor Gericht erzählt er von imaginären Geräuschen in seiner Wohnung, aufgrund derer er seiner Frau Untreue vorwarf.

Von Susi Wimmer

Das Leben von Mervete E. muss ein Martyrium gewesen sein. Ihr Ehemann misshandelte sie zweieinhalb Jahre lang fast täglich, trat nach ihr, sperrte sie in der Wohnung ein, prügelte auf sie und den gemeinsamen Sohn im Kleinkindalter ein, vergewaltigte sie laut Antragsschrift 1776 Mal und drohte damit, sie umzubringen.

Jetzt sitzt die 41-Jährige als Zeugin vor Gericht und scheint gegen falsche Schuldgefühle zu kämpfen. "Ich habe immer deeskalierend gehandelt", versichert sie. Keine zwei Meter entfernt sitzt ihr mutmaßlicher Peiniger und stiert vor sich auf die Bank. Er leidet an paranoider Schizophrenie. Die Staatsanwaltschaft will beantragen, ihn in die geschlossene Psychiatrie einzuweisen.

"Ich habe sie nie geschlagen oder geschubst", versichert der 46-Jährige vor Gericht. Ob ihm die blauen Flecken, die seine Frau am Körper hatte, nicht aufgefallen seien, fragt die Richterin. Doch, sagt er, "keine Ahnung, woher sie die hatte". Seine Ehefrau sei immer brav gewesen, nur in den letzten Monaten, da habe sie ihn betrogen.

Und nein, er habe sie auch nicht zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Der sei einvernehmlich gewesen, erklärt er, lacht und sagt: "Wir hatten Spaß." Ob es der Frau denn auch Spaß gemacht habe, will die Richterin wissen. Das Lachen verstummt, er richtet abrupt den Blick nach unten und murmelt: "Bestimmt."

Der Anwalt redet nun auf den Angeklagten im Jogginganzug ein, er solle sich ruhig verhalten. Mervete E., eine schlanke Frau mit braun-roten Haaren, wird in den Saal geführt. Sofort versucht der Angeklagte, einen Blick von ihr zu erhaschen. Leise antwortet sie auf die Fragen der Richterin, der Dolmetscher übersetzt. In Kosovo habe sie ihren künftigen Ehemann kennengelernt. Die Verlobung sei über die Familie gelaufen. Ob sie ihren Mann vorher gekannt habe, fragt die Richterin. Oh ja, sagt sie. Sie habe ihn zwei Mal vor der Hochzeit gesehen und hatte einen guten Eindruck von ihm.

2012 heirateten sie, der Mann zog nach München, die Frau blieb im Kosovo und wartete, bis er sie ein Jahr später, im März 2013, nach München holte, in eine Ein-Zimmer-Wohnung, 36 Quadratmeter, dem künftigen Gefängnis der Frau. Eingesperrt habe er sie nur ein oder zwei Mal, erzählt sie. Aber auch so, wenn er bei der Arbeit war, wagte sie nicht, die Wohnung zu verlassen. Er habe das nicht gewollt. Und ihr ständig unterstellt, dass sie sich mit anderen Männern treffe. Selbst wenn er zu Hause war, höre er imaginäres Klopfen und habe die Waschmaschine vor die Türe geschoben, damit keine Leute in die Wohnung kämen.

Einmal habe er sie mit dem Nudelholz geprügelt, ein anderes Mal mit dem Fuß ins Gesicht geschlagen, als sie auf der Couch saß. Und ständig habe er mit seinen Fingern ihren Unterleib "untersucht". Laut Anklage soll er sie und auch den Sohn, der 2014 zur Welt kam, über die Balkonbrüstung gehalten und gedroht haben, loszulassen. "Er hatte immer ein Messer dabei in seiner Jackentasche", erzählt sie leise. "Das war für mich das Schlimmste." Das Urteil fällt Anfang Februar.

© SZ vom 18.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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