Frauenrechtlerin Anita Augspurg:Münchner Suffragette

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Anita Augspurg kämpfte für die Gleichberechtigung der Frauen und gegen den Ersten Weltkrieg - und später gegen Hitler.

Porträt von Wolfgang Görl

Als die Nationalsozialisten Anfang 1933 an die Macht kommen, befindet sich Anita Augspurg mit ihrer Lebensgefährtin Lida Heymann auf einer Mittelmeerreise. Den Frauen ist klar, dass sie nicht nach München zurückkehren können. "Es wäre Wahnsinn gewesen, uns den Hitler-Schergen auszuliefern", schreiben sie später.

Bereits 1923 hatten Augspurg und Heymann an den bayerischen Innenminister appelliert, Hitler auszuweisen. Vergeblich. Hitler würde Rache nehmen, das wissen sie. Es bleibt nur das Exil. Die Freundinnen verbringen ihre letzten Jahre in der Schweiz, wo Augspurg am 20. Dezember 1943, fünf Monate nach ihrer Gefährtin, stirbt.

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Anita Augspurg zählt zu den wichtigsten Aktivistinnen der frühen deutschen Frauenbewegung. Sie war eine kämpferische Feministin, die sich nicht mit lauen Zugeständnissen begnügte. Auch als Pazifistin blieb sie auf Kurs, während gemäßigte Mitstreiterinnen im Ersten Weltkrieg ihre vaterländische Seite entdeckten. In ihren Memoiren schrieb sie: "Ist es nicht Wahnsinn, um Länder-, Macht- und Profitgier jeder Art zu befriedigen, die Massen der Völker gegeneinanderzuhetzen, sie mit grausigsten Mitteln abschlachten zu lassen?"

Eine der ersten promovierten Juristinnen

Anita Augspurg wird am 22. September 1857 in Verden an der Aller geboren. Nach dem Besuch einer Höheren-Töchter-Anstalt absolviert sie eine Ausbildung als Lehrerin für Mädchenschulen, nebenher nimmt sie Schauspielunterricht, was zu einer bescheidenen Theater-Laufbahn führt. 1886 zieht sie nach München, wo sie Fotografieren lernt.

Mit ihrer Freundin Sophia Goudstikker eröffnet Augspurg das "Hof-Atelier Elvira", ein Fotostudio, in dem sich Künstler ebenso ablichten lassen wie Mitglieder des Königshauses. Der Architekt August Endell entwirft für die beiden ein Atelierhaus, dessen fantasievolle Fassade zu den schönsten Werken des Münchner Jugendstils gehört. 1937 zerstören NS-Barbaren sie, den Rest erledigen die Bomben im Zweiten Weltkrieg.

In München beginnt Augsburg, sich für die Rechte der Frauen einzusetzen. Eine ihrer ersten Forderungen lautet: die Universitäten für Frauen öffnen. Sie selbst muss in die Schweiz ausweichen, um ihr Jurastudium zu absolvieren. 40 Jahre ist sie alt, als sie an der Züricher Universität zum Dr. jur. promoviert. Jetzt kennt sie sich aus auf dem Kampfplatz der Rechtspolitik. Jetzt kann sie mitmischen in der Debatte um das neue Bürgerliche Gesetzbuch, wo es gilt, den rechtlichen Status der Frau wenigstens ansatzweise zu verbessern.

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Beim internationalen Frauenkongress in Berlin lernt sie die elf Jahre jüngere Kaufmannstochter Lida Heymann kennen. Die beiden werden ein Paar, unternehmen Reisen, siedeln sich in München an und betreiben auf dem "Sigihof" bei Peißenberg eine Landwirtschaft.

Innerhalb der bürgerlichen Frauenbewegung gehört Anita Augspurg zum radikalen Flügel, der generell die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung der Frau anstrebt. Um ihre Anliegen vorwärts zu bringen, schreibt Augspurg Beiträge für diverse Zeitungen, gibt selbst Zeitschriften heraus, hält Vorträge, spricht auf Kongressen und initiiert provozierende Aktionen nach dem Vorbild der englischen Suffragetten. Gleichwohl sind die Fortschritte gering, auch ihre Mahnung zum Frieden richtet in der kriegstrunkenen Stimmung von 1914 nichts aus.

Verdächtigt und bespitzelt

Nach dem Sturz der Monarchie und der Ausrufung der Republik im November 1918 scheinen sich die Dinge zum Besseren zu wandeln. Die Frauen erhalten das Wahlrecht, Augspurg unterstützt die Regierung Kurt Eisners, und sie kandidiert - erfolglos - für den Landtag.

Nach dem Mord an Eisner und dem Ende der Räterepublik geraten die Feministinnen wieder in die Defensive. In der "Ordnungszelle Bayern" herrschen reaktionäre Politiker, für die Frauen an den Herd gehören. Wer, wie Augspurg, anderes will, gilt als verdächtig und wird bespitzelt. Schon vor Hitler steht sie auf verlorenem Posten. Aber aufgegeben hat sie nie.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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