Paffenhofen:Würdigung eines fast Vergessenen

Lesezeit: 3 min

Die "Russische Brunnenszene", ein Hinterglasgemälde mit Schlagmetall aus dem Jahr 1976, entstand "nach Skizzen aus den Pripjetsümpfen". Dort war Michael P. Weingartner als Soldat während des Kriegs eingesetzt. (Foto: Michael Scheingraber)

Der Neue Kunstverein und die Stadt Pfaffenhofen widmen dem Maler Michael P. Weingartner eine große Werkschau.

Von Sabine Reithmaier, Pfaffenhofen

Michael P. Weingartner war ein Kirchenmaler. Aber eben nicht nur. Davon erzählt die Ausstellung in der Kunsthalle Paffenhofen. An den Wänden der Kunsthalle drängen sich - fast zu dicht - Interieurs, Blumenstilleben, Landschaften, religiöse Motive. Kaum Porträts, aber die wenigen lassen keinen Zweifel daran, dass Weingartner auch dieses Genre beherrschte.

Anlass der umfangreichen Ausstellung, die der Neue Paffenhofener Kunstverein im Auftrag der Stadt organisiert hat, ist das 25. Todesjahr des Künstlers. Kuratorin Karin Probst hat an die 300 Bilder in der Halle versammelt. Werke aus allen Schaffensphasen, Gemälde, Grafiken, Hinterglasbilder, Skizzen - "ich hätte nie gedacht, dass wir so viele Leihgaben erhalten", sagt die Kunsthistorikerin, die sich daran gemacht hat, Weingartners Werk zu sichten und kunsthistorisch zu bearbeiten.

Vielleicht ist es einfacher, mit den Arbeiten zu beginnen, die nicht zu sehen sind: den 250 Kirchen und Kapellen, die Weingartner gestaltet hat und von denen in der Ausstellung nur einige wenige Skizzen berichten. "Nur damit man sieht, wie er vorgegangen ist", sagt Probst. Der umfangreiche Katalog, den sie ebenfalls betreut hat, listet zwar in alphabetischer Reihenfolge auf, in welchen Sakral- und Profanbauten Weingartner zugange war - die Liste startet in Aachen mit einem großen Kreuzweg für die Salvatorkirche und endet im Ingolstädter Stadtteil Zuchering. Doch Probst ist es in der kurzen Zeit natürlich nicht gelungen, die alte Bestandsaufnahme, die Weingartners Frau Paula erstellt hat, vor Ort zu überprüfen. Schließlich ist davon auszugehen, dass vermutlich etliche Arbeiten nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form existieren. Zu den Meisterstücken in seiner Heimatstadt Pfaffenhofen zählen die Deckengemälde und Mosaike der Spitalkirche Hl. Geist, er arbeitete aber auch im Kloster Scheyern oder malte in Maria Schutz in Pasing einen wändefüllenden Passionszyklus.

Fünf Jahre war Weingartner im Krieg. Und malte trotzdem weiter

Die Ausstellung folgt chronologisch der Biografie des Malers, das letzte Bild, ein Selbstporträt, stammt von 1993. Seine künstlerische Begabung fiel früh auf, obwohl Michael Weingartner, damals noch ohne P., 1917 in eine schwierige Zeit hineingeboren wird. Für den Vater, Taglöhner, Gärtner und später städtischer Arbeiter, ist es nicht leicht, die wachsende Familie zu ernähren. Mit 14 beginnt Michael, der älteste von drei Söhnen, eine Ausbildung zum Dekorationsmaler beim Kirchenmaler Hans Schober, bleibt auch nach der Gehilfenprüfung bis zum Kriegsbeginn 1939 in dessen Werkstatt. Den Krieg erlebt der junge Maler von Anfang bis zum Ende als Wehrmachtssoldat in einer Sanitätskompanie. Erst Polen, dann der Frankreich- und der Russlandfeldzug. Er zeichnet und aquarelliert unaufhörlich. "Die anderen tranken, und ich malte, selbst unter heftigem Geschützdonner. Ich brauchte das", zitiert ihn der Katalog.

Die russischen Skizzenbücher werden zu einer Quelle, aus der er später immer wieder schöpft. In ihnen hält er, oft bei minus 20 Grad, den Alltag auf dem Land fest, Bäuerinnen am Brunnen, Bauern auf dem Feld, Prozessionen, alte und junge Menschen. 1945 gerät er in russische Gefangenschaft, dreimal versucht er zu fliehen. Beim dritten Mal gelingt die Flucht, er versteckt sich in Sonnenblumenfeldern - später die Blumen, die er bevorzugt malt. Er schlägt sich nach München durch, dort erwartet ihn Paula, seit 1940 seine Frau und lebenslang der wichtigste Mensch für ihn. Das drückt auch die Signatur MPW aus, die Paula von 1942 an mit einbezieht.

Kreuzwege gestaltete der Kirchenmaler Weingartner häufig, hier eine von 14 Tafeln, die 1954 für die Wallfahrtskirche St. Kastulus entstanden. (Foto: Photodesign Kassner)

Nach seiner Rückkehr bewirbt er sich parallel zu seiner Meisterausbildung an der Akademie der Bildenden Künste, reicht seine russischen Skizzenbücher ein, wird zugelassen. Er studiert religiöse Malerei, Architektur, Landschafts- und Porträtmalerei, übernimmt parallel bereits Aufträge der Diözesen. Es ist die Zeit des Wiederaufbaus, zu tun gibt es genug. Weingartner mangelt es nicht an Selbstbewusstsein. Schon 1948 macht er sich als akademischer Maler mit einem eigenen Atelier in Pfaffenhofen selbstständig. Und verlangt kühn 50 Pfennig Eintritt zur ersten Jahresausstellung mit seinen Werken.

Generell hatte er wohl einen ziemlich guten Sinn für die wirtschaftliche Seite seines Berufs. Angesichts der ellenlangen Liste seiner Aufträge ist es nur erstaunlich, wie er das alles allein ohne Werkstattbetrieb schaffte. Während er Kirchen gestaltete, fand er noch genügend Zeit, um die Umgebung, in der er sich gerade befand, festzuhalten. So entstanden zahlreiche Landschaften, manche sogar Pleinair gemalt. Die meisten waren für den Kunstmarkt bestimmt genauso wie die Blumenstillleben. Jeder Strauß individuell von Paula arrangiert. Oft malt er noch ein hinreißendes Interieur als Hintergrund dazu. Alles im handlichen Format, so dass die Bilder in jede Wohnung passen. In Öl malt er übrigens ausschließlich auf Holz, zur Not auch auf alten Fensterladen. Eine Leinwand verwendet er nie.

Ohne Zweifel war Weingartner ein vorzüglicher Maler, ohne jemals stilbildend zu sein. Das Expressionistische und die Brücke-Maler standen ihm eindeutig sehr nahe. Zeitlebens blieb er gegenständlich, die Abstraktion war nicht sein Ding. Auch Details interessierten ihn nicht, er arbeitete nichts lange aus. "Schnellmalerei" sei eben sein Markenzeichen gewesen, heißt es im Katalog. So wie der Zigarillo im Mundwinkel und die Leidenschaft für schnelle Autos.

Michael P. Weingartner: 1917 bis 1996 - eine Werkschau, bis 8. August, geöffnet Do. bis So., 15 - 18 Uhr, Kunsthalle Pfaffenhofen a. d. Ilm, Ambergerweg 2

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: