Stadtteil-Sanierung:Ein Hühnerstall für alle

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Eine schöne Wohngegend, aber verbesserungsfähig: das Österreicher-Viertel in Pasing. (Foto: Catherina Hess)

Das Österreicher-Viertel in Pasing soll attraktiver werden. Es gibt viele Vorschläge, wie man Autos raus- und mehr Grün, mehr Treffpunkte, mehr Spielplätze ins Quartier reinbringt. Und sogar frische Frühstückseier bekommt.

Von Ellen Draxel

Mitten in der Stadt und irgendwie doch auf dem Land? Im Österreicher-Viertel in Pasing durchaus denkbar. Die Quartiersbewohner jedenfalls könnten künftig jeden Morgen frische Eier auf dem Tisch haben. Keine im Laden gekauften. Zumindest, wenn Isabella Ordner genügend Mitstreiter findet, um ihre Idee wahr zu machen. Ihr Vorschlag: ein Stadtteilhühnerstall für alle. Sympathien für ihren von Moderatorin Uta Kesting gelobten "wunderbaren" Einfall hat die junge Frau am Freitag bereits geerntet. Der Pfarrsaal von St. Willibald ist an diesem Abend brechend voll: Mehr als 100 Besucher sind der Einladung des Pasinger Bezirksausschusses gefolgt, Konzepte für eine zukunftsfähige Gestaltung der Reihenhaussiedlung zwischen Attersee-, Agnes-Bernauer-, Willibald- und Landsberger Straße zu entwickeln. Mit jeder Menge Ideen und Verbesserungsvorschlägen im Gepäck, aber auch Kritikpunkten.

Heikelstes Thema: die Parksituation. "Unser Hauptproblem", sagt eine Anwohnerin, "sind die vielen Dauer- und Fremdparker". Erst jüngst habe sie wieder gesehen, wie jemand von auswärts sein Fahrzeug im Viertel abgestellt habe, um anschließend mit einem Rollkoffer von dannen zu ziehen. Auch viele Firmen, pflichtet ihr ein Nachbar bei, deponierten ihre Wagen in dieser Gegend. Zugleich stellten Besitzer einer Garage ihre Autos auf der Straße ab oder parkten in engen Gassen wie der Ossiacher oder der Villacher Straße halb auf dem Gehweg - mit der Folge, dass dort die Fußgänger nicht mehr durchkämen. Manche täten dies aus Bequemlichkeit oder weil ihre Garagen inzwischen Fahrräder und allerlei Gerümpel beherbergten, bei anderen passten die heute großen Wagen schlicht nicht mehr in die kleinen, in den Fünfziger- und Sechzigerjahren entstandenen Gargen der Häuschen.

Könnte man die Fremdparker bei der Ehre packen?

Doch was dagegen tun? "Wie wäre es, wenn wir die Fremdparker an ihrer Ehre packen und sie mit einem halbwegs offiziellen Zettel an der Windschutzscheibe auf die Situation bei uns im Quartier aufmerksam machen?", schlägt einer der Teilnehmer vor. Diskutiert werden müsse allerdings auch die Garagenfehlnutzung. Andere regen an, das Carsharing auszubauen und Garagenhöfe in Tiefgaragen mit mehrstöckigen Liftanlagen umzuwandeln. Viele würden außerdem die Einführung eines Parklizenzgebiets begrüßen. Wie aber damit umgehen, dass die Straßen den Verdrängungsverkehr umliegender Gebiete aufnehmen müssen und als Schleichwege benutzt werden?

Lösungen könnten aus Bewohnersicht so Klassiker wie Bodenwellen, Baumpflanzungen oder aufgestellte Blumenkübel sein - sie sollen das Durchfahren unattraktiv machen. Eine andere denkbare Variante wäre, Anliegern den Vorrang zu bestimmten Zeiten einzuräumen. Anbieten, so die Bewohner, würde sich zudem das Thema Shared Space - in Form von Sommerstraßen, als Begegnungszone, wie sie in der Schweiz praktiziert wird, oder auch angelehnt an das Konzept der Kopenhagener Reihenhaussiedlung "Kartoffelreihe". Dort gibt es Bereiche in den Straßen, in denen Tische mit Bänken stehen. Solche sozialen Treffpunkte in jeder Stichstraße würden sich auch Bewohner des Österreicher-Viertels wünschen. Zusätzlich zu Nachbarschaftstreffs, Cafés, schöneren Spielplätzen und einer Boule-Bahn auf der Kremser Wiese oder dem Willibaldplatz.

Eine Idee: Guerilla-Gardening legalisieren

Am Freitag hat sich bereits eine sehr kreative Gruppe zusammengefunden, die es sich zum Ziel gesetzt hat, soziale Räume auf Plätzen und im Grünen zu erschließen. Eine Idee: Auf einem Spielplatz oder einer Wiese eine Kiste mit Spielzeug fest zu installieren, die dann alle Viertel-Bewohner nutzen können. Eine zweite Anregung: Einen Teil der Kremser Wiese mit Angeboten für Jugendliche zu gestalten. Anwohnerin Monika Hindennach sagt am Freitag zu, sich zu kümmern. "Ich will dann aber auch Workshops mit den jungen Leuten machen", erklärt sie. Auch als es ums Grün geht, sind viele sofort dabei. Ein Wunsch: Guerilla-Gardening zu legalisieren, indem öffentliche Flächen vor den Häusern einfach von den Anliegern nach Gusto bepflanzt werden können.

Als Manko hingegen identifizieren die Workshop-Teilnehmer das Fehlen von Ampeln und sicheren Radwegen, vor allem für die Schulkinder, eine attraktive Verbindung über die Bahngleise in Form eines Fußgänger- und Fahrradstegs und den Mangel an Einkaufsmöglichkeiten und Postdienstleistungen. Auch Recyclingbehälter und Mülleimer, monieren sie, gebe es zu wenige. Die "größte Musik" in punkto Infrastruktur allerdings liegt an dem Abend, wie Marcia Zieglmeier, die Moderatorin dieses Komplexes, zusammenfassend konstatiert, im Thema Energie. Debattiert werden muss über Photovoltaik auf den Garagendächern, über flächendeckende Fernwärme, über Ladestrukturen für Elektroautos und über den Glasfaserausbau. Im Idealfall mit kompetenten Gesprächspartnern bei der Stadt und den Stadtwerken bei einem der kommenden, vertiefenden Workshops im Juni oder Juli.

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