Pasing/Nymphenburg:Platz-Angst

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Die Pasinger Tennis-Abteilung des ESV München liegt im Clinch mit dem Mutterverein, weil dieser mit dem Gedanken spielt, die Anlage an der Haberlandstraße aufzugeben. Ein Grundstückstausch mit einem Investor könnte neue Flächen für Fußball und Hockey bringen

Von Jutta Czeguhn, Pasing/Nymphenburg

Wenn an diesem Mittwoch, 26. Juni, die Delegiertenversammlung des ESV München zusammentritt, werden die fünf Entsandten der Tennisabteilung, Standort Pasing, ziemlich angespannt dasitzen im Mehrzwecksaal des Sportparks Nymphenburg. Der Mutterverein, so ihre Sorge, könnte ihre Tennisplätze von der Haberlandstraße im Pasinger Westen nach Osten an die Hildachstraße verlegen. Oder womöglich ganz abwickeln. Voraussetzung wäre ein Flächentausch, der ESV müsste sich einigen mit dem Eigentümer des Areals dort, der auch der unmittelbare Nachbar der heutigen Anlage ist. Alle Grundstücke liegen auf ehemaligem Bahngrund. Die Sachlage ist also komplex, spielt doch dieser vereinsinterne Zwist vor dem Hintergrund, dass in München die Begehrlichkeiten immens groß sind, ehemalige Bahnflächen in Bauland umzuwandeln.

Aktuell dürfte dies eher schwierig sein. Im Flächennutzungsplan ist der ehemalige Bahngrund im Zwickel zwischen Haberlandstraße, Lortzingstraße und der Bahntrasse Richtung Geltendorf als "Sportanlage, Kleingarten-Anlage und ökologische Vorrangfläche dargestellt. Der Stadtrat hatte dies Ende 2018 per Beschluss für bindend erklärt. Trotzdem sind die Pasinger Tennisspieler beunruhigt. Seit mehr als 50 Jahren werden auf dem circa 9000 Quadratmeter großen Areal Bälle übers Netz geschlagen. 2014 konnte der ESV München die Anlage vom Bundeseisenbahnvermögen erwerben. Laut Jürgen Klässner, Leiter der Pasinger Tennisabteilung, seien 85 Prozent des Kaufpreises damals von den Mitgliedern des ESV Pasing aufgebracht und dem Mutterverein für den Erwerb des Geländes zinsgünstig zur Verfügung gestellt worden. Das Nachbargrundstück, die Kleingartenanlage, gehörte zu diesem Zeitpunkt schon einem privaten Immobilien-Investor, der es im Jahr 2009 erworben hatte. Es ist kein Geheimnis, dass das Verhältnis zwischen dem Investor und seinen Pächtern, den Kleingärtnern, angespannt ist. Es hat mittlerweile mehrere Gerichtsverfahren gegeben, in denen der Investor den Gärtnern "verfassungswidrige Übermaßnutzung" ihrer Parzellen vorgeworfen hat, also Verstöße gegen das Bundeskleingartengesetz. Aktuell, so der Vorsitzende der Kleingärtner Volker Arne Karlstädt, liege "die Sache" nach wie vor beim Oberlandesgericht München. Der Investor lässt auf SZ-Nachfrage per Mail wissen, dass er "wegen laufender Gerichtsverfahren" keine Stellung nehmen möchte - und weder seinen Namen noch den seines Unternehmens in der Zeitung lesen will.

Es steht viel auf dem Spiel: Jürgen Klässner, Chef der Pasinger Tennisabteilung des ESV München, sorgt sich um die Zukunft der Anlage. (Foto: Catherina Hess)

Der Streit zwischen den Kleingärtnern und dem Investor könnte den Pasinger Tennisspielern egal sein, weil dem ESV ja seine Anlage mit den acht Plätzen samt Vereinsheim gehört. Er ist es aber nicht. Denn es gibt da ein heikles Problem. Laut Jürgen Klässner hat der Investor nämlich sein Grundstück vermessen lassen und dabei ist herausgekommen, dass nach Grundbuchamt ein insgesamt 220 Quadratmeter großer Streifen am nördlichen Rand der Tennisanlage eigentlich ihm gehört. Was der Investor auf SZ-Nachfrage bestätigt: Seine Firma lasse "die Tennisabteilung in Pasing seit nun mehr zehn Jahren unentgeltlich auf ihrem vier Meter breiten Grundstücksstreifen spielen".

"Damit hat der Investor den ESV nun in der Hand", glaubt Abteilungsleiter Klässner. Denn sollte dieser auf sein Eigentum pochen, müsste der Spielbetrieb teilweise eingestellt werden. Es sei denn, man verlege die betroffenen Tenniscourts noch auf dem eigenen Gelände um besagte Meter in Richtung Süden, was möglich wäre. Klässner schätzt, dass diese Maßnahme den Mutterverein circa 100 000 Euro kosten würde. Maximal, denn viele Pasinger Tennisspieler wären bereit, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Das Stimmungsbild innerhalb seiner Abteilung ist laut Klässner eindeutig: Die Mehrheit wolle am Standort Haberlandstraße bleiben und habe sich gegen die Verlagerung an die Hildachstraße ausgesprochen. Doch habe er den Eindruck, dass die ESV-Vereinsführung kein Interesse habe, diese Grundstücksangelegenheit auf dem eigenen Gelände zu regeln. Offenbar wolle man sich stattdessen auf einen Deal mit dem Investor einlassen, der an der Hildachstraße den Bau von acht neuen Plätzen in Aussicht stelle, wenn er im Gegenzug die Vereinsfläche an der Haberlandstraße bekommt.

Auf SZ-Nachfrage erklärt Pia Kraske, Geschäftsführerin des ESV, dass es der Grundstückseigentümer bislang abgelehnt habe, den Streifen an den Verein zu veräußern. Was den Grundstückstausch angeht, gebe es "keine konkreten Vertragsverhandlungen, sondern lediglich Ideen". Den jetzigen Standort der Tennisanlage an der Haberlandstraße nennt sie "in zweifacher Hinsicht herausfordernd". Bereits im Kaufvertrag mit dem Bundeseisenbahnvermögen 2014 sei festgehalten worden, dass die Deutsche Bahn einen drei- oder viergleisigen Ausbau der Strecke Pasing-Buchenau plane und dass erhebliche Teile des Geländes betroffen sein würden. "Als Äquivalent hat der ESV das Areal allerdings auch zu einem sehr günstigen Preis erwerben können", so Kraskes Darstellung, der wiederum Klässner widerspricht: Seines Wissens würden die neuen Schienen in einer Art Überbrückung, quasi auf einem Damm verlaufen, weshalb nur ein Platz während der Bauphase betroffen wäre. Laut Kraske stellt sich noch ein Problem: Die Stadt werde mindestens einen Tennisplatz für "die Dauer von sieben Jahren" für die Baustelleneinrichtung zum Bau der Verlängerung der U 5 zum Pasinger Bahnhof benötigen. Eine Zahl, die von den Pasingern ebenfalls bezweifelt wird.

Als weiteren Grund, die Verlagerung an die Hildachstraße in Betracht zu ziehen, nennt Kraske das Wohnquartier für bis zu 6000 Menschen, das dort in der Nähe gerade entsteht. Potenzielle neue Vereinsmitglieder also. Das Gelände an der Hildachstraße hätte den Vorteil, dass es den Sportbetrieb der Pasinger Tennisabteilung auf Dauer sichern würde, zudem läge es näher am Hauptgelände des ESV in Nymphenburg. Und eine neue Anlage dort böte die Chance auf dringend benötigte Flächen für Fußball und Hockey. "Derzeit müssen sich beispielsweise 750 Mitglieder einen Hockeyplatz teilen", berichtet Kraske.

Allerdings äußert sie auch Verständnis für die Pasinger, die die Anlage an der Haberlandstraße in viel Eigenarbeit errichtet hätten und täglich unterhalten. "Hier gibt es ungewöhnlich viel Herzblut und in Zeiten allgemein abnehmenden ehrenamtlichen Engagements wollen wir den sehr erfreulichen gegenläufigen Trend der dortigen Abteilung natürlich berücksichtigen und unterstützen." Im Hinblick auf die Delegiertenversammlung erklärt sie: "Die Gremien des Gesamtvereins hören im demokratischen Prozess alle 26 Abteilungen des Vereins immer zu allen Planungen an und berücksichtigt deren Bedürfnisse, soweit dies in irgendeiner Weise möglich ist." Die Delegierten aus Pasing wollen sie beim Wort nehmen.

© SZ vom 26.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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