Olympiapark:"Das Erinnern mitnehmen"

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Wege der Erinnerung: Vom geplanten Bau am Lindenhain kann man auf Orte des Geschehens blicken. (Foto: SZ-Grafik)

Trotz harter Debatten, emotionaler Einwürfe und unreflektierter Äußerungen: Ein Workshop mit allen Beteiligten und Interessengruppen lässt hoffen, dass doch noch Bewegung in die verfahrene Diskussion um eine neue Informationsstätte im Olympiapark kommen könnte

Von Nicole Graner, Olympiapark

Es ist der Tag danach. Der Tag nach dem Workshop zum "Erinnerungsort Olympia-Attentat 1972". Das von Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) angesetzte Treffen aller in die Diskussion um ein würdiges Gedenken an die Opfer des Attentats involvierten Interessensgruppen und Anwohner des Olympiadorfes hat Spuren hinterlassen: viele negative, aber auch viele positive. Noch immer scheint für einen Teil der Anwohner die geringe Transparenz, mit der Bürger von Anfang an in die Planung miteinbezogen worden sind, Ärger zu schüren. Noch immer scheint auch der neue Standort am Lindenhain einige Gemüter zu erhitzen, obwohl dieser, wie Gedenkstätten-Projektgruppenleiter Werner Karg von der Landeszentrale für politische Bildung deutlich macht, "sehr wohl mit allen Gruppen" besprochen worden sei. Auch ärgere Karg immer wieder, dass viele Anwohnern so täten, als hätte es nie Gespräche mit Vertretern der Interessensgruppen gegeben.

Auch ging es um Formalitäten. So zum Beispiel um den Stil des Einladens zum Workshop. So habe die Einwohner-Interessen-Gemeinschaft Olympisches Dorf (EIG) vor der Vorbereitung des Workshops in einem Brief vom 2. April an Karg und an Moderator Jürgen Schmude, der der SZ vorliegt, darum gebeten "die architektonischen Entwürfe bereits vor dem Workshop einsehen zu können". "Unerlässlich" sei es, heißt es in dem Schreiben weiter, "die Entwürfe auch in einer Tischvorlage eingehend studieren zu können". Eine Antwort hat die EIG auf das Schreiben hin nicht erhalten, eine Tischvorlage oder ein Handout hat es beim Workshop am Dienstag nicht gegeben. "Das war einfach nicht gut," sagt Helmut Jahraus, ein ausgewählter Anwohner des Olympiadorfes, der beim Workshop dabei war, "man fühlte sich nicht ernst genommen." Auch hat es, wie Jahraus bestätigt, zwar einen Terminvorschlag für den Workshop gegeben, aber keine offiziellen Einladungen an die Teilnehmer.

Auch einen Tag nach dem Workshop kann Christoph Rothe von der Connollyberg-Gruppe zwei Dinge nicht glauben. Zum einen, dass die "Form der Auseinandersetzung" - auch von Seiten der Olympiadörfler - "nicht gut gewesen" sei. Zum anderen sei der Satz vom Leiter des Jüdischen Museums München, Bernhard Purin, die Anwohner würden mit ihren "Aktivitäten den Antisemitismus nähren", "indiskutabel und so etwas von daneben gewesen". "Ich hatte schon die Tasche in der Hand und wollte gehen", sagt Rothe. Die Connollyberg-Gruppe gibt es nicht mehr, sie hat sich daraufhin aufgelöst. "Außerdem", sagt Rothe, "haben wir unser Ziel ja auch erreicht". Von einem ist er fest überzeugt: "Die Informationsstätte wird kommen. Sie ist mit den Entscheidungswegen der Demokratie nicht mehr aufzuhalten."

Trotz harter Debatten, emotionaler Einwürfe und auch unreflektierter Äußerungen lassen manche Meinungen aber auch darauf schließen, dass Bewegung in eine verfahrene Diskussion um einen neuen Erinnerungsort im Olympiapark kommen könnte. Till von Feilitzsch (EIG) findet, dass die Interessensgruppen Gehör gefunden hätten. Und auch Architekt Peter Brückner fand die Gespräche, gerade am Ende des Workshops mit den Anwohnern, "definitiv eine Bereicherung". Diese Gedanken und Vorschläge sollen nun in einen angepassten Entwurf einfließen. Brückner spricht sogar von einer "besseren Lösung". Nach wie vor soll der Bau offen sein, allerdings würde der Einschnitt durch den Lindenhain-Standort nun kleiner ausfallen - der Einschnitt, der den traurigen Einschnitt in die so friedlichen Spiele durch den Terrorakt symbolisieren soll. Offen, aber geschützt soll der Raum bleiben. So, dass man durch den Blick auf Olympiaturm und Olympiadorf, den Schmerz, die Erinnerung verorten kann. "Man sieht hinaus, sieht jene Plätze, die 1972 so im Mittelpunkt standen und ist mitten im Geschehen", sagt Brückner. Dieses Innehalten am Ort sei ein wichtiger Punkt im Entwurf gewesen, den der 53-jährige Architekt auch "Gefäß" nennt. Aufgefangen sein, die Erinnerung nicht verlieren - all das ist gemeint, wenn Brückner von "Gefäß" spricht. Dass der Bau am Lindenhain offen ist, also keinen physischen Abschluss durch eine Tür habe - auch das ist Teil des Konzeptes: Damit man Erinnerung verorten kann, dass durch Offenheit überhaupt neue Wege des Erinnerns gegangen werden können. Im Mittelpunkt, und das ist Brückner besonders wichtig, steht die Geschichte der zwölf Toten des Attentats. Die Biografie und die Frage, wie die Familien der Toten das Attentat verarbeitet haben und mit der Erinnerung an den Schmerz weiter leben. "Wir wollen, dass alle, die kommen werden und sich über die Spiele, das Attentat und die Folgen des Terrors informieren, ein Stück Erinnerung mitnehmen können", sagt Brückner. Mit neuen medialen Möglichkeiten soll, so bestätigt auch Karg, der Geschichte der Opfer und ihrer Familien im historischen Kontext nachgespürt, den Toten ein Gesicht gegeben werden: "An diesen Recherchen arbeiten wir derzeit sehr intensiv."

© SZ vom 17.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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