Praktisch alle Zelte auf dem Oktoberfest haben für ihre Bedienungen und Stammgäste besondere Anstecker. Damit sie auch jederzeit wissen und nicht vergessen, zu welchem Zelt sie gehören? Wohl eher nicht. Es ist eher eine Art Dank oder Auszeichnung, ein Orden für langjährige Treue. Besonders lange gibt es diese Tradition schon in der Ochsenbraterei. Die heutige Wirtin Antje Haberl kann sich schon gar nicht mehr genau erinnern, wann ihr Vater Hermann Haberl die Anstecker eingeführt hat: "Die waren für mich einfach immer schon da!" Für die SZ hat sie die schönsten Exemplare noch einmal hervorgekramt und stellt sie mit einigen erklärenden Worten vor.
"Der ist gesichert aus dem vergangenen Jahrhundert, einer der ersten vermutlich. Das wird mal eine Aufgabe für Wiesn-Archäologen, herauszufinden, welcher Jahrgang das war. Aber der ist alt, er ist ja auch schon etwas vergilbt."
"Das ist auch ein früher. Meine Eltern haben die Ochsenbraterei ja 1980 übernommen, und mein Vater wollte immer schon ein hochwertiges Essen-Zelt machen. Er hat damals Charolais-Ochsen aus Frankreich eingekauft, das waren noch nicht die aus dem städtischen Gut Karlshof. Aber der Ochs und das Spaten-Bier, das waren von Anfang an wichtige Elemente."
"Der Ochs und die Girlande, und dazu die Schreibschrift mit dem Schriftzug ,Ochsenbraterei', das zieht sich so durch die Jahre. Hier handelt es sich um eine Bedienungsnummer, die einzelnen Kellner und Kellnerinnen haben ja jeweils eine eigene Nummer."
"Das hier ist der Anstecker zum 25-Jährigen. Das Jubiläum feierten wir 2005. Die bayerischen Farben, das Bier und die Lebensfreude waren wichtig. Man sieht auch, dass die Ochsenbraterei ein helles Zelt war. Zuvor war es innen eher dunkel gewesen. Aber mein Vater wollte, dass man sieht, was man auf dem Teller hat."
"Ein Jahr später konnten wir dann schon wieder ein Jubiläum feiern, 2006 gab es die Ochsenbraterei nämlich seit 125 Jahren. Der Anstecker war ein technisches Highlight, da war eine Batterie drin, und wenn man draufdrückte, haben die Augen des Ochsen geleuchtet."
"Hier ist auch Bewegung drin. Denn der Ochse am Spieß dreht sich tatsächlich. Auch das ist doch technisch sehr aufwendig gemacht für so einen kleinen Anstecker."
"Das Lebkuchenherz ist natürlich auch etwas, was typisch ist für die Wiesn. Deshalb haben wir es auch einmal für den Anstecker als Motiv gewählt. Nur halt typisch für uns: die weißblauen Farben, der Ochse im Kranz, das Bier. Ohne geht es nicht!"
"Ein paar Jahre lang haben wir auch die Figuren aus dem Zelt auf den Anstecker gemacht. Die sind heute noch alle von der Tita Gronemeyer, der Münchner Künstlerin und Illustratorin. Sie hat für das Zelt die Trachtenfiguren entworfen, die noch heute den weißblauen bayerischen Himmel hochhalten, wie mein Vater immer sagte. Das hier ist die Tegernseer Tracht."
"Und hier haben wir die Isarwinklerin und den Isarwinkler mal als Anstecker. Kaum zu glauben, das ist damals schon brav gegendert worden! Außer der Name des jeweiligen Orts war ohnehin schon sehr lang. Dann kam bloß der Ortsname selbst aufs Schild."
"Die typische geschwungene Fassade der Ochsenbraterei, diese Welle, ist natürlich auch immer gern thematisiert worden. Das Zelt erkennt man einfach sofort wieder. Auch sonst ist alles da: der Ochse, die Figuren in Tracht, der weißblaue Himmel, das Bier."
"Wieder ein technisches Wunderwerk: Das Feuer unter dem Ochsen konnte man leuchten lassen. Die Figuren kennt man von der Zeltfassade, die sind zusammen mit dem Ochsen am Spieß direkt über dem Haupteingang zu sehen. Es ist im Grunde genau das gleiche Bild."
"Die Tita hat für uns alle möglichen Wiesn-Illustrationen gemacht, auch für Bierfilzl zum Beispiel. Manche davon sind dann auch Motive für den Anstecker geworden, wie das Karussell hier im Jahr 2016. Unten links sieht man den Dackel, der bei uns zur Familie gehört."
"Den habe ich geliebt! Es gab ihn in zweifacher Ausfertigung: mit blitzenden Steinchen für die Damen und ohne für die Herren. Wir haben die am ersten Samstag verteilt und am Tisch immer gefragt, was der Unterschied ist. Die Frauen haben das immer sofort gesehen, die Männer nicht. Sehr lustig!"
"2017 haben wir ein neues Zelt bekommen, deshalb sieht man hier meine Mutter und mich auf der Baustelle. Der Anstecker damals war ziemlich groß, damit konnte man alle anderen, auch die von anderen Zelten, überdecken."
"Der hier war dann im Jahr darauf, da sind wir ziemlich an die Ursprünge zurückgegangen und haben einfach wieder nur den Ochsen und die Girlande drumherum als Motiv genommen."
"Den hier haben wir zur Erinnerung an meinen 2011 verstorbenen Vater Hermann gemacht. Der hat am letzten Wiesntag zum Zapfenstreich immer auf der Trompete ,Guter Mond, du gehst so stille' gespielt. Mir war natürlich nicht klar, dass dieser Anstecker so lange aktuell bleiben würde, schließlich gab es danach zweimal kein Oktoberfest."
"Es gab 2020 kein Oktoberfest, wegen Corona. Einen Anstecker haben wir trotzdem machen lassen. Es zeigt einen traurigen Ochsen und ein trauriges Münchner Kindl, weil ja die Wiesn ausfällt. Den Anstecker haben wir dann an alle Mitarbeiter und alle Stammkunden verschickt."
"Den hier haben wir für 2022 machen lassen, aber sicherheitshalber ohne Jahreszahl ... Er zeigt mich und meinen Sohn Luis, der da erstmals mit mir zusammen als Wirt dabei war. Ich schau da recht jung aus, nicht wahr? Die Tita Gronemeyer ist so gut zu mir..."
"In diesem Jahr wollten wir mal unsere Speisekarte ins Zentrum stellen. Die ist nämlich hier zu sehen. Wir wollen ja betonen, wie wichtig uns das Essen ist im Zelt. Und auch zum Thema Regionalität hätten wir noch viel zu sagen. Da bleibt noch genügend Stoff für neue Anstecker."