Taxifahrer über Wiesn-Besucher:"Kotztüten hab ich immer im Auto"

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Ein freies Taxi auf dem Oktoberfest? Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt mit jedem Schritt weg vom Festgelände. (Foto: Felix Hörhager/dpa)

Ein Taxifahrer erzählt, wie es zur Oktoberfestzeit in München zugeht, was am Gentlemen's Agreement mit Wiesn-Bedienungen dran ist - und wie er auf das Fahrtziel Puff reagiert.

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Das Besondere am Taxifahren ist, dass ich mit dem ganzen Spektrum der Gesellschaft zu tun habe. Ich habe schon den Bruder von Thomas Gottschalk gefahren und genauso einen Bettler vom Marienplatz bis zur Pilgersheimer Straße. Jeder landet mal bei mir im Taxi. Arm und reich, schlau und deppert.

Ich fahre seit 16 Jahren Taxi, zur Wiesn habe ich natürlich immer mehr mit Touristen zu tun als sonst. Man erkennt sie nicht gleich, weil sie meistens auch in Dirndl oder Lederhose im Wagen sitzen. Erst, wenn man sie mit einem "Servus" grüßt und in leere Augen schaut - weil sie mit dem Begriff nichts anfangen können.

Ich frage gern, wo die Leute herkommen, so ergibt sich oft ein Gespräch. Sind es Amerikaner, frage ich, ob sie zum ersten Mal auf die Wiesn gehen. Wenn ja, gebe ich ihnen eine Warnung mit. Ihr Bier hat meist nur zwei Prozent, ein Wiesnbier um die sechs. Die gehen hin, trinken dieselbe Menge Bier, die sie von zuhause gewohnt sind und fallen irgendwann um und wundern sich.

Australier, Briten, Iren und Schotten sind da anders. Die wissen, wie man Bier trinkt. Die brauchen den Hinweis nicht. Von denen könnte ich noch was lernen.

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Zum Oktoberfest ist die Atmosphäre in der Stadt lockerer als sonst. Ich selbst gehe einmal im Jahr in die Ochsenbraterei. Aber nur, wenn es nicht regnet. Sonst hüpfen die Leute auf der Bierbank neben mir so sehr, dass mir die Soße ins Gesicht spritzt. Überhaupt, dieses Massenbesäufnis und das Vorglühen, das sind zwei Dinge, die ich am Oktoberfest nicht verstehe. Man nehme ein zierliches Mädel im Dirndl, schütte eine viertel Flasche Prosecco rein, füge um Punkt 12 Uhr eine Mass hinzu, schüttele ein bisschen, und das Massaker im Magen ist angerichtet. Das muss doch nicht sein.

Kotztüten hab ich übrigens immer im Auto. Meistens kann ich noch rechtzeitig rechts ranfahren, wenn sich einem der Magen umdreht. Ich achte auf die Signale. Einmal hatte ich eine Seniorin im Pelzmantel im Auto, die hat sich ein bisschen auf ihren Mantel übergeben. Dann hat sie es angeekelt mit einer Handbewegung von ihrem Pelz gewischt. Und so in meinem Taxi verteilt. In solchen Momenten wünsche ich mir sehr, ich wäre woanders.

Es gibt ein paar Witze, die machen Fahrgäste sehr oft. Gegen Ende einer Schicht kann ich nicht mehr mit voller Begeisterung darauf eingehen: Zum Beispiel steigen Leute in Tracht ins Taxi und fragen dann: "Na, wohin werden wir wohl fahren?" Ich frage dann immer: "Zum Flughafen vielleicht?"

Manche fragen mich, wie man nach der Wiesn am besten ein Taxi bekommt. Dazu kann ich nur sagen: Geht so weit weg vom Oktoberfest, wie ihr könnt. Mit jedem Schritt qualifiziert ihr euch mehr als Fahrgast. Geht am besten bis zum Taxistand am Harras. Was raus musste, ist bis dahin raus - und einmal durchgelüftet seid ihr auch.

Gentlemen's Agreement zwischen Taxifahrern und Wiesn-Bedienungen

Ich stelle mich mit dem Taxi nicht mehr direkt an das Festgelände. Da fängt man sich immer was ein, womit man länger beschäftigt ist. Einmal haben Fahrgäste, die ausgestiegen sind, einen Betrunkenen vom Boden aufgehoben und mir auf den Beifahrersitz gesetzt. Er war nicht mehr ansprechbar. Natürlich konnte ich ihn nirgendwo hinfahren. Bis die Angelegenheit mit Polizei und Notarzt geklärt war, waren zwei Stunden vergangen. Zwei Stunden, die mir von meiner Schicht fehlten.

Früher gab es mal das Gentlemen's Agreement zwischen Taxifahrern und Wiesn-Bedienungen, dass wir sie als erste mitnehmen. Sie haben unauffällig mit dem großen Geldbeutel oder ihren Marken gewunken, wenn wir in der Nähe waren. Bedienungen sind erledigt nach ihrer Schicht und müssen schon am nächsten Tag wieder ran, das geht vor. Dafür haben sie uns gutes Trinkgeld gegeben. Heute ist das nicht mehr so der Fall.

Wenn wer wild auf meinem Rücksitz knutscht, ist mir das egal, solange das Fahrziel schon geklärt ist. Ich will ungern stören. Wenn es allerdings zu wild wird, löse ich das mit dem Spruch: Alles, was Flecken macht, macht ihr bitte daheim!

Ich mache mir einen Spaß draus, wenn nach der Wiesn jemand so anfängt: "Wo kann man denn heute noch was erleben?" Ich frage dann, "Was darf's denn sein? Theater, Kino?" Sagt einfach, was ihr wollt, dann kann ich euch behilflich sein. Darf es vielleicht ein Laufhaus sein? Ich kann sogar auf Nationalitätenpräferenzen eingehen. Ich kenne die Damen schließlich. Auch sie fahren mit mir. "Der Unterschied zwischen euch und uns ist nur", sage ich ihnen immer, "dass ihr euch die Gäste aussuchen könnt."

Der Taxifahrer hat uns von seinen Erfahrungen erzählt, will aber anonym bleiben - sein Name wird hier deshalb nicht genannt

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