Zuerst hat die Bundesregierung lange gezögert, dann hat sie entschieden, bei ihrem Schweigen zu bleiben. Und das, obwohl nun die letzte Möglichkeit sein dürfte, noch einmal Licht ins Dunkel des Oktoberfest-Attentats zu bringen. Auch 35 Jahre nach dem verheerenden Anschlag im September 1980 mit 13 Toten und 200 Verletzten lehnt es die Bundesregierung ab, Informationen über V-Leute deutscher Geheimdienste herauszugeben, die bei der Aufklärung des Falles helfen könnten oder möglicherweise sogar selbst in das Attentat verstrickt waren. Die Grünen-Bundestagsfraktion wird aus Protest gegen die Verweigerungshaltung der Regierung deshalb vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
Der Generalbundesanwalt hat im Dezember offiziell die Ermittlungen nach Hintermännern des größten rechtsradikalen Attentats in Deutschland wieder aufgenommen. Tausende von Akten bei Innenministerien und Geheimdiensten werden noch einmal überprüft. Die Bundesregierung aber will weder die Klarnamen eventueller V-Leute herausgeben noch überhaupt bestätigen, dass damals staatliche Spitzel in der rechten Szene rund um den Attentäter Gundolf Köhler aktiv waren - obwohl es sie unzweifelhaft gab.
Opfer des Oktoberfest-Attentats:Ein Anschlag, der 34 Jahre dauert
Auf Röntgenbildern kann man noch die Metallsplitter in seinem Körper sehen: Hans Roauer stand gleich neben dem Papierkorb am Wiesn-Eingang, in dem der Attentäter die Bombe deponierte. An den Folgen der Explosion leidet er bis heute - besonders am Verhalten der Behörden.
Die Grünen reagieren nun mit ihrer Verfassungsklage auf ein monatelanges Gezerre zwischen der Regierung und Abgeordneten der Grünen, die in einer Kleinen Anfrage Aufklärung gefordert hatten. Nachdem die Regierung es in einer ersten Antwort abgelehnt hatte, derart wichtige Informationen preiszugeben, protestierten die Grünen und forderten in einem Schriftwechsel das Ende des Schweigens.
Wie das Justizministerium sein Schweigen begründet
Nach monatelangem Zögern antwortete das Justizministerium nun - und wiederholte das Nein der Regierung. In einem Schreiben von Justizstaatssekretär Christian Lange vom 7. April heißt es, die Regierung habe noch einmal abgewogen, sei aber erneut zu dem Ergebnis gekommen, dass "Fragen zu Art und Weise der Quellenführung sowie zur V-Leute-Eigenschaft von Personen - auch wenn es sich um zeitlich weit zurückliegende Vorgänge handelt - zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht beantwortet werden können". Das Anwerben und Führen von V-Leuten seien elementare nachrichtendienstliche Mittel. "Eine besondere Geheimhaltung muss deshalb auch dann gelten, wenn eine Person nicht als V-Person tätig war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt", schreibt Lange. Der Brief liegt der SZ vor.
Oktoberfest-Attentat:"Da verdichtet sich etwas"
In die Ermittlungen zum Oktoberfest-Attentat könnte bald Bewegung kommen: Die Aussagen einer neuen Zeugin untermauern die These, dass der Anschlag 1980 nicht von einem Einzeltäter verübt wurde. Dabei dreht sich alles um eine Hand, die am Tatort gefunden wurde.
Für die Bundestagsfraktion der Grünen ist das ein unhaltbarer Zustand. Ihre Geschäftsführerin Britta Haßelmann sagte der SZ, die Gründe der Regierung überzeugten keineswegs. "Sie laufen darauf hinaus, immer und ausnahmslos jedwede Information über die Tätigkeit von V-Leuten zu verweigern", klagt Haßelmann. "Das ist nicht akzeptabel." Gerade in diesem Fall, der mehr als dreißig Jahre zurückliege, könne eine aktuelle Beeinträchtigung nicht mehr eintreten. Deshalb werde die Fraktion Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen.
Wie viele V-Leute voraussichtlich betroffen wären
Auch die Fraktion der Linken hatte sich bereits in einer Anfrage um Informationen über die V-Leute im Umfeld des Oktoberfest-Attentats bemüht. Und ebenfalls keinerlei Antwort von der Regierung erhalten. Noch immer sieht die Bundesregierung Gefahr für Leib und Leben ehemaliger V-Leute, obwohl diese mittlerweile alte Männer sind und manche, wie Hans Ulrich Behle, ihre Tätigkeit als V-Mann längst selbst preisgegeben haben. Behle war Mitglied der rechtsradikalen Wehrsportgruppe Hoffmann und hatte in einem Gespräch in Libanon gesagt, der Anschlag auf das Oktoberfest sei von der Wehrsportgruppe ausgegangen.
Oktoberfest-Attentat:Generalbundesanwalt nimmt Ermittlungen wieder auf
34 Jahre nach dem Oktoberfestattentat werden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Das hat Generalbundesanwalt Harald Range bekannt gegeben. Grund für die Entscheidung sei eine bislang unbekannte Zeugin.
Gegen diese paramilitärische Gruppe aus Franken wurde damals auch ermittelt, der Verdacht verdichtete sich jedoch nicht. Weil die Gruppe häufig in Libanon war, gibt es auch Akten beim Auslandsgeheimdienst BND. Wie viele V-Leute es bei der Wehrsportgruppe gab, will die Regierung auch heute noch nicht mitteilen. Die Informationen dazu seien "so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann", schrieb die Regierung im Februar an die Linken.
Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung gab es mindestens drei V-Leute, die Hinweise auf Hintergründe und Hintermänner des Oktoberfest-Attentats gaben, Informationen zu zwei weiteren V-Leuten mit zusätzlichem Wissen haben sich bislang nicht bestätigt.