Süddeutsche Zeitung

Oktoberfest-Attentat:Grüne wollen Informationen über V-Leute erstreiten

  • Beim Anschlag auf das Oktoberfest kamen 13 Menschen ums Leben - doch die Regierung weigert sich, zur Aufklärung Namen von V-Leuten herauszugeben.
  • Sie sieht weiterhin Gefahr für Leib und Leben der betreffenden Personen, obwohl diese mittlerweile alte Männer sind und manche, ihre Tätigkeit selbst preisgegeben haben.
  • Die Grünen ziehen nun vor das Verfassungsgericht.

Von Stefan Braun und Annette Ramelsberger, Berlin

Zuerst hat die Bundesregierung lange gezögert, dann hat sie entschieden, bei ihrem Schweigen zu bleiben. Und das, obwohl nun die letzte Möglichkeit sein dürfte, noch einmal Licht ins Dunkel des Oktoberfest-Attentats zu bringen. Auch 35 Jahre nach dem verheerenden Anschlag im September 1980 mit 13 Toten und 200 Verletzten lehnt es die Bundesregierung ab, Informationen über V-Leute deutscher Geheimdienste herauszugeben, die bei der Aufklärung des Falles helfen könnten oder möglicherweise sogar selbst in das Attentat verstrickt waren. Die Grünen-Bundestagsfraktion wird aus Protest gegen die Verweigerungshaltung der Regierung deshalb vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Der Generalbundesanwalt hat im Dezember offiziell die Ermittlungen nach Hintermännern des größten rechtsradikalen Attentats in Deutschland wieder aufgenommen. Tausende von Akten bei Innenministerien und Geheimdiensten werden noch einmal überprüft. Die Bundesregierung aber will weder die Klarnamen eventueller V-Leute herausgeben noch überhaupt bestätigen, dass damals staatliche Spitzel in der rechten Szene rund um den Attentäter Gundolf Köhler aktiv waren - obwohl es sie unzweifelhaft gab.

Die Grünen reagieren nun mit ihrer Verfassungsklage auf ein monatelanges Gezerre zwischen der Regierung und Abgeordneten der Grünen, die in einer Kleinen Anfrage Aufklärung gefordert hatten. Nachdem die Regierung es in einer ersten Antwort abgelehnt hatte, derart wichtige Informationen preiszugeben, protestierten die Grünen und forderten in einem Schriftwechsel das Ende des Schweigens.

Wie das Justizministerium sein Schweigen begründet

Nach monatelangem Zögern antwortete das Justizministerium nun - und wiederholte das Nein der Regierung. In einem Schreiben von Justizstaatssekretär Christian Lange vom 7. April heißt es, die Regierung habe noch einmal abgewogen, sei aber erneut zu dem Ergebnis gekommen, dass "Fragen zu Art und Weise der Quellenführung sowie zur V-Leute-Eigenschaft von Personen - auch wenn es sich um zeitlich weit zurückliegende Vorgänge handelt - zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht beantwortet werden können". Das Anwerben und Führen von V-Leuten seien elementare nachrichtendienstliche Mittel. "Eine besondere Geheimhaltung muss deshalb auch dann gelten, wenn eine Person nicht als V-Person tätig war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt", schreibt Lange. Der Brief liegt der SZ vor.

Für die Bundestagsfraktion der Grünen ist das ein unhaltbarer Zustand. Ihre Geschäftsführerin Britta Haßelmann sagte der SZ, die Gründe der Regierung überzeugten keineswegs. "Sie laufen darauf hinaus, immer und ausnahmslos jedwede Information über die Tätigkeit von V-Leuten zu verweigern", klagt Haßelmann. "Das ist nicht akzeptabel." Gerade in diesem Fall, der mehr als dreißig Jahre zurückliege, könne eine aktuelle Beeinträchtigung nicht mehr eintreten. Deshalb werde die Fraktion Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen.

Wie viele V-Leute voraussichtlich betroffen wären

Auch die Fraktion der Linken hatte sich bereits in einer Anfrage um Informationen über die V-Leute im Umfeld des Oktoberfest-Attentats bemüht. Und ebenfalls keinerlei Antwort von der Regierung erhalten. Noch immer sieht die Bundesregierung Gefahr für Leib und Leben ehemaliger V-Leute, obwohl diese mittlerweile alte Männer sind und manche, wie Hans Ulrich Behle, ihre Tätigkeit als V-Mann längst selbst preisgegeben haben. Behle war Mitglied der rechtsradikalen Wehrsportgruppe Hoffmann und hatte in einem Gespräch in Libanon gesagt, der Anschlag auf das Oktoberfest sei von der Wehrsportgruppe ausgegangen.

Gegen diese paramilitärische Gruppe aus Franken wurde damals auch ermittelt, der Verdacht verdichtete sich jedoch nicht. Weil die Gruppe häufig in Libanon war, gibt es auch Akten beim Auslandsgeheimdienst BND. Wie viele V-Leute es bei der Wehrsportgruppe gab, will die Regierung auch heute noch nicht mitteilen. Die Informationen dazu seien "so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann", schrieb die Regierung im Februar an die Linken.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung gab es mindestens drei V-Leute, die Hinweise auf Hintergründe und Hintermänner des Oktoberfest-Attentats gaben, Informationen zu zwei weiteren V-Leuten mit zusätzlichem Wissen haben sich bislang nicht bestätigt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2427980
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.04.2015/infu/mmo
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.