Öffentlicher Nahverkehr:MVV-Flatrate? Einfach und gerecht geht nicht

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Günstig, gerecht, simpel - das sind viele Anforderungen für einen komplexen Tarif. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Tarifreform soll alles gleichzeitig bringen: günstige Tickets, faire Preise, ein leicht verständliches System. Doch irgendjemand zahlt immer drauf.

Kommentar von Andreas Schubert

Der Ärger über überfüllte U-Bahnen gehört zum Münchner Alltag wie das Schimpfen über das komplizierte Tarifsystem, das mit seinen Ringen und Zonen auf Anhieb kaum durchschaubar sei. Schon lange fordern die Partner im Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV), dieses System endlich zu vereinfachen. Aber die verschiedenen Interessen von Politikern aus Stadt und Land ziehen den Reformprozess in die Länge.

Denn was sie sich wünschen, ist nichts anders als die berühmte eierlegende Wollmilchsau: Der Tarif soll einfacher werden und zugleich gerechter, und auf keinen Fall soll irgendwer benachteiligt werden. Das klingt so, als wenn Autofahrer einen Ausbau von Straßen fordern, aber bitte ohne Baustelle und Stau.

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Wenn das System unbedingt einfacher werden muss, wie es aus allen politischen Ecken tönt, wird es sich nicht vermeiden lassen, dass jemand draufzahlt. Das 365-Euro-Jahresticket nach Wiener Vorbild, das sich etwa die Grünen wünschen, brächte Verluste in dreistelliger Millionenhöhe, die mit Steuergeldern kompensiert werden müssten.

Die Münchner Verkehrsgesellschaft muss zudem kostendeckend arbeiten, um vor Ausschreibungen geschützt zu sein. Eine "Flatrate" für das Stadtgebiet würde die Pendler von außerhalb unnötig hoch belasten. Und eine Abrechnung nach tatsächlich gefahrenen Kilometern sollte nur ein Zusatzangebot zu Monats- und Jahreskarten sein.

Dem Tarifsystem können Korrekturen nicht schaden, die zu mehr Gerechtigkeit für Zeitkartennutzer führen. Übersichtlicher sollten aber vor allem die Tarife für Einzel- und Streifenkarten werden sowie die Bedienung der Fahrscheinautomaten; wer eine Jahreskarte kauft, hat in der Regel genug Muße, sich damit zu beschäftigen, wie viele Ringe er braucht - so kompliziert ist das auch wieder nicht.

Was tatsächlich mehr Menschen zum Verzicht aufs Auto bewegen würde, wäre ein schneller Ausbau der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur. Den haben die Stadt und der Freistaat zu lange verschlafen. Das darf man bei der sich seit Jahren im Kreis drehenden Tarif-Debatte nicht vergessen.

© SZ vom 10.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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