Oberlandesgericht München:Schleuser, Terroristen - und Verspätungen

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Das Oberlandesgericht ist vor allem für den NSU-Prozess bekannt. (Foto: dpa)
  • Die Flüchtlingskrise hat für mehr Fälle vor den Familiengerichten gesorgt, aber nicht vor den Strafgerichten.
  • Die Zahl der Terror- und Extremismusfälle blieb konstant. Die Fälle sind jedoch brisant.
  • Außerdem beschäftigen neue Gebäude der JVA und des Strafjustizzentrums das OLG.

Von Christian Rost

Auch wenn Rechtspopulisten es immer wieder behaupten, Bayern ist durch die Aufnahme von geflüchteten Menschen keinesfalls unsicherer geworden: Im Bezirk des Oberlandesgerichts München, der den größten Teil des südbayerischen Raumes umfasst, sind 2015 nicht mehr Strafsachen bearbeitet worden als im Jahr zuvor.

Die Familiengerichte hingegen hatten mehr zu tun als im Vorjahr. Das berichtete OLG-Präsident Peter Küspert, der am Dienstag den Jahresbericht seines Hauses vorstellte. Darin ging es auch um die Gefahren durch Terrorismus und Extremismus sowie um die Neubauprojekte der Justiz.

Die Flüchtlingskrise

Inzwischen könnten die Mitarbeiter der Justiz wieder durchatmen, sagte Küspert. Denn im Vorjahr sei die Zahl der Verfahren mit Flüchtlingsbezug an den Familiengerichten um 14 Prozent auf 54 000 hochgeschnellt. "Tag und Nacht" hätten die Familienrichter zeitweise gearbeitet, um vor allem für unbegleitete Minderjährige eine Betreuung und Unterbringungsmöglichkeit zu finden.

Das Münchner Amtsgericht bearbeitete 2015 allein rund 3400 solcher Verfahren, das waren dreimal mehr als im Jahr zuvor. Auch die Schleuserkriminalität erreichte eine ungekannte Dimension: Zeitweise saßen im OLG-Bezirk bis zu 800 Schleuser gleichzeitig in Haft, derzeit sind es noch etwa 80. Trotz der enormen Auslastung der Gerichte engagierten sich 100 Richter teils unentgeltlich beim Rechtsbildungsunterricht für Flüchtlinge.

Von Januar bis April dieses Jahres gab es 150 Kurse, in denen die in Deutschland geltenden Werte und die deutsche Rechtsordnung vermittelt wurden. 94 Prozent der Teilnehmer hätten dieses Angebot positiv bewertet, so der Gerichtspräsident.

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Terror und Extremismus

Die Zahl der Strafverfahren an den Gerichten im OLG-Bezirk blieb 2015 mit rund 54000 nahezu unverändert. Zunehmend muss sich die Justiz aber mit Syrienrückkehrern, die sich dem sogenannten Islamischen Staat angeschlossen haben, beschäftigen. Am 12. Mai beginnt am Landgericht München I ein Prozess gegen einen Mann, der bei der Rückreise aus Syrien am Flughafen im Erdinger Moos festgenommen wurde.

Ihm wird die Vorbereitung einer staatsgefährdenden Straftat vorgeworfen. Mit weiteren solcher Staatsschutzverfahren ist zu rechnen. Derweil sind die Strafsenate des OLG schon ausgelastet mit dem NSU-Mammut-Verfahren, das nun ins dritte Jahr geht, mit dem Prozess um die Ermordung von Exil-Kroaten oder auch mit den mutmaßlichen Rechtsterroristen der "Oldschool Society".

Zudem hat der Generalbundesanwalt Anklage gegen mutmaßliche Mitglieder der ausländischen terroristischen Vereinigung "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" erhoben. Dieser Prozess beginnt im Juni im alten Strafjustizzentrum und zieht dann im Herbst in den neuen Hochsicherheitsgerichtssaal nach Stadelheim um.

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Neue Gerichtssäle

Der Neubau des Hochsicherheitssaales auf dem Gelände der JVA Stadelheim ist beinahe fertiggestellt und soll im Juli an das OLG übergeben werden. Von Herbst an wird dort gegen mutmaßliche Terroristen Mafiosi und andere Schwerverbrecher verhandelt. Bis zu 270 Personen fasst der große Saal, der in zwei kleinere aufgeteilt werden kann.

Derweil geht es mit dem Neubau des Strafjustizzentrums am Leonrodplatz langsam voran: Erst 2017 kann mit dem Rohbau begonnen werden, weil zuvor noch der mit Altlasten kontaminierte Boden abgetragen werden muss. 2021 soll die Münchner Strafjustiz dann einziehen. Beruhigt hat sich der Protest linker Aktivisten. Zuletzt habe es keine Aktionen mehr gegen das Projekt gegeben, so Küspert.

Ein Problem ist noch die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr. Weil es keine U-Bahn in diesem Bereich gibt, will die Stadt künftig auf der Dachauer Straße Mega-Trambahnen einsetzen.

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An den Zivilsenaten des OLG wird immer mehr wegen findiger und windiger Kapitalanlagen gestritten. Schon die Hälfte aller Verfahren würden sich mit dem grauen Kapitalmarkt beschäftigen, so Wilhelm Schneider, Sprecher am OLG für Zivilsachen.

Auch die Amtsgerichte bekommen die Streitlust zu spüren. Am Amtsgericht Erding nehmen die Klagen gegen Fluggesellschaften wegen Verspätungen überhand, seit die Europäische Fluggastverordnung Reisenden mehr Rechte einräumt.

© SZ vom 04.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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