Die frohe Botschaft erreichte heuer knapp 60 Adressaten: So viele Gefangene durften noch vor den Feiertagen die Justizvollzugsanstalt (JVA) an der Stadelheimer Straße 12 vorzeitig verlassen, erklärt deren Leiter, Michael Stumpf. 39 weitere Insassen bekamen Ausgang oder Urlaub. Alle übrigen der derzeit 1400 Häftlinge, 143 davon Frauen, werden Weihnachten getrennt von ihren Familien und Freunden verbringen. Wie an allen anderen Tagen des Jahres kehren sie nach 17 Uhr in ihre Zellen zurück, wenig später fallen hinter ihnen die Türen ins Schloss.
Graue Routine, könnte man sagen, und doch, das weiß der evangelische Pfarrer Felix Walter, ist und bleibt der 24. Dezember für viele Gefangene etwas Besonderes. "Gerade jetzt kochen die Gefühle hoch: Weihnachten und Geburtstage sind schwierige Termine. Da merkt man es halt besonders schmerzhaft, eingesperrt zu sein." Auch wenn man versuche, den Insassen das Leben in Haft erträglicher zu machen, dürfe man nicht vergessen: "Den Menschen hier geht es nicht gut", sagt der Seelsorger.
Die Gefangenen suchen Trost in der Religion
So mancher von ihnen sucht gerade in diesen Tagen Trost in der Religion. Und da Menschen aus mehr als 80 Ländern in Stadelheim einsitzen, fällt die Liturgie entsprechend vielfältig aus. Auf den spanisch-portugiesischen Gottesdienst am Montag folgten am Dienstag je eine Messe für Italiener, Kroaten und Polen, während die englischsprachigen Christen bereits am zweiten Advent in der Anstaltskirche gefeiert haben. Anhänger verschiedener orthodoxer Kirchen kommen schließlich am 6. Januar in Sancta Maria Consolatrix Afflictorum zusammen, wie die Anstaltskirche passenderweise heißt: Trösterin der Betrübten.
Trostspender für Landsleute sind häufig Ordensleute, die in die JVA kommen, wie Michael Stumpf berichtet. Engen Kontakt zu "ihren" Gefangenen hielten auch die britischen und amerikanischen Konsulate. Für andere Gefangene hingegen zeigten deren Herkunftsländer oft nicht das geringste Interesse.
Umso schöner - und notwendiger - ist es, wenn freiwillige Helfer in die Bresche springen. Dazu zählt besonders der Arbeitskreis Ehrenamtliche in der Straffälligenhilfe. Etwas indirekter fällt die Unterstützung aus, die von evangelischen Kirchengemeinden in Haidhausen, Moosach und Kirchheim geleistet wird. Dort sammeln, so Pfarrer Felix Walter, Ehrenamtliche Spenden und machen daraus Geschenkpakete, die dann während der Weihnachtsfeiertage an Gefangene verteilt werden, die ohne Angehörige sind oder die kein Geld haben, um sich selbst ein Geschenk zu machen.
Die Wärter sind an Weihnachten "Mitgefangene"
Bis zu einem gewissen Grad sind in einer JVA die Wärter stets auch "Mitgefangene" - eine Mindestbesetzung von Beamten muss an den Feiertagen anwesend sein. Gerade für die Spätschicht Leute zu finden, sei dann oft schwer, räumt Michael Mück ein. Der 59-Jährige ist seit 14 Jahren Leiter des allgemeinen Vollzugsdienstes. Man könnte auch sagen, er ist Chef aller Uniformierten, von denen im Übrigen keiner im Dienst eine Waffe trägt. "Wir fragen halt ab, wer an Weihnachten arbeitet und wer an Silvester", erklärt der groß gewachsene Mann lakonisch. Circa 150 Männer und Frauen in Olivgrün braucht es jedenfalls pro Tag, um den Betrieb hinter den hohen, mit Stacheldraht gesicherten Mauern am Laufen zu halten.
Von Stadelheim dabei als Betrieb zu sprechen, ist mehr als berechtigt: Praktisch alle klassischen Handwerksberufe sind mit Werkstätten vertreten, in denen auch ausgebildet wird. Wobei sich, dies nur nebenbei, gerade hier zeigt, dass der Job im Justizvollzug längst keine Männerdomäne mehr ist. Die Handwerksbetriebe unterstehen Christine Weller, der Dienstleiterin im Südbau. Hinzu kommen Wäscherei, Küche und Bäckerei, die zwischen den Jahren durchmachen, während ansonsten die Arbeit ruht. Allerdings, erklärt Weller, stellten die Häftlinge gerade jetzt vermehrt Anträge auf Besuch und Telefonate.
In der Schreinerei hängen die ersten Werkstücke, die Häftlinge dort gefertigt haben.
(Foto: Alessandra Schellnegger)"Wenn möglich, wird das auch großzügiger als sonst gehandhabt, denn schließlich kommen die Verwandten ja oft von weit her", sagt sie. Ansonsten weiß sie aus ihrer Dienstzeit im Frauengefängnis Aichach zu berichten, dass Frauen die Weihnachtszeit viel bewusster als Männer erlebten. Entsprechend "liebevoller und kreativer" schmückten sie Zellen und Gemeinschaftsräume - wie zum Beweis ihrer Worte steht wenige Schritte entfernt ein von Männerhand eher nüchtern dekorierter Christbaum.