Null Acht Neun:Nie mehr fünfzig

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Ein Pandemie-Geburtstag, ganz ohne Pomp und Peinlichkeiten, geht das überhaupt? Zumindest weckt er Erinnerungen an bessere, wildere Zeiten

Kolumne von Christian Mayer

Am Donnerstag ist mein Freund Axel fünfzig geworden. Das ist unbedingt eine Erwähnung wert, denn erstens ist mein Freund Axel mental höchstens 32, was für eine gewisse Diskrepanz in der Selbstwahrnehmung sorgt, und zweitens ist er gerade sehr betrübt, weil die große Party natürlich ausfallen muss. Ich selbst hatte das Glück, mir im Vor-Corona-Jahr ein Fest zum runden Geburtstag noch genehmigen zu können, in einem Tonstudio in Giesing. Und nach allem, was die Leute später erzählt haben, muss es doch irgendwie unterhaltsam gewesen sein.

Es gab etwa den ganzen Sommerabend über eine erfrischende Auseinandersetzung mit einer Nachbarin im vierten Stock, die Galonen kaltes Wasser auf die Leute kippte. Mindestens so spannungsgeladen war der Streit zwischen dem DJ und einem etwas forschen Gast, einem Harlachinger Zahnarzt, über die richtige Auswahl der Songs. Ein Wort ergab das andere, bis Zahnarzt und DJ zu Boden sanken und sich ineinander verkeilten, eine Art griechisch-römischer Ringkampf direkt vor der Bar. Im Eifer des Gefechts bekam kaum einer mit, wie ein weiterer Gast besinnungslos auf die Kacheln knallte und danach einen Ausflug ins Klinikum rechts der Isar machte, wo er mit einem blauen Auge von der Größe einer Pampelmuse aufwachte. Dieser Unfall oder auch Umfall, der das Ende der Feierlichkeit markierte, geschah ganz ohne Fremdeinwirkung. Was im Nachhinein etwas Wunderliches hat, weil der Freund wie in einem Bud-Spencer-Film gefällt wurde; aber vielleicht auch nicht, schließlich werden wir alle nicht jünger.

Der arme Axel - alleine auf sich selbst anzustoßen mit ein paar virtuellen Gästen auf dem Bildschirm, ist nun wirklich kein Spaß. Wer die Schallmauer ins nächste Jahrzehnt durchbricht, will doch beweisen, dass er physisch noch in der Lage ist, einen ordentlichen Exzess heraufzubeschwören. Mit einem Fest, bei dem mindestens drei Mal die Polizei kommt, die sich dann darüber amüsiert, dass sich im Giesinger Tonstudio lauter Männer und Frauen im allerbesten Alter als Ruhestörer betätigen und keine Teenager.

Wenn man es nüchtern betrachtet, dann hat mein Freund Axel fast schon Glück gehabt. Er ist nämlich gar nicht fünfzig geworden, er bleibt erst mal unterhalb des gefährlichen Limits. Denn so ein Pandemie-Geburtstag ganz ohne Rausch, peinliche Einlagen und dramatische Verrenkungen auf offener Bühne, der zählt ja gar nicht.

© SZ vom 10.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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