Null Acht Neun:Des Handwerks doppelter Boden

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Bald beginnt wieder die Heim&Handwerk. Besucher können sich unter anderem über die besten Ausreden für Verspätungen und Pfusch informieren

Von Wolfgang Görl

Kommende Woche findet wieder die beliebte Messe Heim+Handwerk statt, und die ist natürlich ein Pflichttermin für jeden Handwerker, der seinen Kunden das Beste und Neueste bieten will. Ob Maler, Maurer, Installateur oder sonst was - hier finden Spezialisten alles, was zur Ausübung ihres Berufs nötig ist. Auf keinen Fall übersehen sollten Handwerker den Messestand "Termindruck? Mir wurscht!" in der Halle A 1.

Dort gibt es unter anderem das 16-bändige Standardwerk "Die Kunst der Ausrede", das in übersichtlicher Form alle Begründungen enthält, warum eine Arbeit nicht rechtzeitig fertig geworden ist. Die Liste reicht von allgemeinen Formeln wie "Es sind unvorhersehbare Schwierigkeiten aufgetreten" über komplizierte technische Erklärungen ("Die Dübel wollten ums Verrecken nicht in die Bohrlöcher passen") bis hin zum alles rechtfertigenden Stoßseufzer "Ja mei", der noch den aufgebrachtesten Kunden beschwichtigt. Ebenso lehrreich ist die Broschüre "Der Kunde - mein Feind", auch wenn sie einige Selbstverständlichkeiten enthält. Dass ein Handwerker, der sein Kommen für neun Uhr zugesagt hat, erst am Abend, am nächsten Tag, in der übernächsten Woche oder überhaupt nicht auftaucht, ist mittlerweile eine allgemein akzeptierte Tatsache.

In der Messehalle B 1 lautet das Thema "Nix funktioniert - na und?". Hier findet der Handwerker Tipps, wie er Missgeschicke elegant wieder zurechtbiegen kann - verbal, versteht sich. Wenn beispielsweise eine Mauer einstürzt, genügt ein jovial hinausposauntes "Hoppla", um Wutanfälle seitens des Bauherrn bereits im Keim zu ersticken. Für Spezialisten unerlässlich ist ein Besuch des Messestands "Mysterium Waschmaschine". Dort erfährt man, dass Waschmaschinen grundsätzlich irreparabel sind. Egal, was defekt ist, und wenn es nur die Kontrolllampe ist: Das Ding muss raus, und sein Besitzer muss mit dem Zauberspruch "Da kann man nichts machen" gezwungen werden, eine neue Maschine zu kaufen.

Überhaupt glücken Reparaturen nur in Ausnahmefällen. Tropfende Wasserhähne tropfen weiter, Heizungen bleiben kalt, Kühlschränke warm, wofür das Handwerk aber immer eine einleuchtende Erklärung hat: Die Geräte sind veraltet oder so neu, dass sie noch "Kinderkrankheiten" haben. Bei fachübergreifenden Mängeln, wenn etwa die Dusche nur läuft, solange auch die Küchenlampe brennt, ist die Sache ohnehin klar: Der Klempner sagt, der Elektriker ist schuld, und der Elektriker sagt, der Klempner ist schuld. So steht Aussage gegen Aussage und beide sind aus dem Schneider.

Die wichtigsten Informationen aber finden Handwerker in der Halle A 3, die dem Themenbereich "Kreatives Rechnungswesen" gewidmet ist. Am Stand "Spaß muss sein: Der Kostenvoranschlag" erhalten sie Anregungen zu einer flexiblen Gestaltung der Kalkulation. Dass eine Arbeit immer teurer wird als veranschlagt, ist dabei vorausgesetzt, es geht nur darum, die nun leider doppelt so hohe Summe dem Kunden näherzubringen. Der Hinweis auf unvorhersehbare Schwierigkeiten hat sich auch dabei gut bewährt, als ebenso plausibel gilt die Auskunft, wegen einer plötzlichen Explosion der Rohstoffpreise seien Schrauben und Nägel teurer geworden. Außerdem legen die Experten ihren Handwerkskollegen nahe, Rechnungen stets unter Tränen auszuhändigen und mit bebenden Lippen zu stammeln: "Des is fast umsonst, da zahl i no drauf." So einen muss man dann in den Arm nehmen und trösten. Und den Saustall, den er hinterlässt, selber aufräumen.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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