Notrufnummern:Bundespolizei will Hinweisschilder in S-Bahnen überprüfen

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Das Hinweisschild der Bundespolizei in der Münchner S-Bahn - leider kommen Anrufer in Potsdam raus und dürfen keine schnelle Hilfe erwarten. (Foto: Robert Haas)
  • Ein Hinweisschild verspricht in den Münchner S-Bahnen direkte und kostenlose Verbindung zur Bundespolizei.
  • Weil viele Fahrgäste davon ausgehen, dass es sich um eine Notrufnummer handelt, kam es bereits zu Missverständnissen. Nun sollen die Schilder ausgetauscht werden.
  • Für Fahrgäste in Not gilt weiterhin der Polizeiruf 110.

Von Martin Bernstein, München

Die Bundespolizei wird die missverständlichen Hotline-Hinweisschilder in allen deutschen S-Bahnen und Zügen wohl ändern müssen. Denn die Hotline, die von vielen Fahrgästen als Notrufnummer fehlgedeutet wird, ist lediglich ein Service-Angebot der Bundespolizei, die für die Sicherheit in S-Bahnen und Zügen sowie an Bahnhöfen zuständig ist. "Innerhalb der Bundesrepublik gilt einheitlich die 110 als Polizeinotruf", stellt Nicole Bellinghausen, Sprecherin des Bundespolizeipräsidiums in Potsdam, klar.

Wenn das künftig auch in Zügen deutlich gemacht wird, dann haben Fahrgäste in ganz Deutschland dieses Mehr an Sicherheit dem Münchner Ammar Fetaiti zu verdanken, über dessen Fall die Süddeutsche Zeitung am Montag berichtet hatte. Fetaiti war am 5. November in einem Zug der S 6 von einer neunköpfigen Gruppe bedroht worden. In seiner Not hatte er die über allen Notbremsen angebrachte 0800-Nummer der Bundespolizei angerufen. Das Schild verspricht schnelle polizeiliche Hilfe.

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Doch genau die blieb aus, Fetaiti war den pöbelnden Angreifern allein ausgeliefert. Denn die vermeintliche Notrufnummer ist lediglich eine Hotline der Leitstelle des Bundespolizeipräsidiums - in Potsdam. Dort ging um 10.45 Uhr Fetaitis Anruf ein. Das hat Bundespolizei-Sprecherin Bellinghausen inzwischen bestätigt. "Der Anrufer teilte mit, dass er in der S 6 vom Ostbahnhof in Richtung Hauptbahnhof unterwegs sei und aus einer Gruppe von Störern mit Bierdeckeln beworfen werde."

Für Fetaiti, der die Münchner Bundespolizei am Apparat wähnte, war der Ort des Geschehens klar: München. Dem Sachbearbeiter der Leitstelle schien die Örtlichkeit ebenfalls klar: Der Beamte aus Potsdam ging von einem Ereignis auf der Strecke zwischen Berlin-Ostbahnhof und Berlin-Hauptbahnhof aus. Er schlug Alarm - bei der in seinen Augen zuständigen Bundespolizeiinspektion Berlin-Hauptbahnhof. Die Berliner Bundespolizisten suchten also in einer S-Bahn der Bundeshauptstadt neun aggressive junge Leute und ihr Opfer. Fetaiti, das tatsächliche Opfer, wartete dagegen von Station zu Station darauf, dass endlich Münchner Bundespolizisten einsteigen und ihm zu Hilfe kommen würden. Er wartete vergeblich.

"Es ist mithin von einem beidseitigen Missverständnis auszugehen", sagt Nicole Bellinghausen. "Der Anrufer, der in seiner bedrängten Situation die genaue Örtlichkeit nicht benannte, sowie der aufnehmende Beamte, der den Standort nicht noch einmal genauer hinterfragte." Das habe dazu geführt, dass in München keine Hilfe ankam. "Diesen Umstand wie auch das Missverständnis selbst bedauern wir."

Anrufe aus dem Festnetz gehen bei den regionalen Bundespolizeidirektionen ein. Hotline-Anrufe aus dem Handynetz wie der von Ammar Fetaiti (zwei weitere folgten, die nach Angaben des 55-Jährigen aber nicht mehr angenommen wurden) landen dagegen, da regional nicht zuzuordnen, bei der Leitstelle des Bundespolizeipräsidiums in Potsdam. Laut Bellinghausen sind das bis zu 12 500 Anrufe pro Monat.

"Wir werden den aktuellen Fall zum Anlass nehmen, die Hinweisschilder in S-Bahnen und Zügen zu prüfen", teilt das Bundespolizeipräsidium mit. Gegebenenfalls werde man sie textlich anpassen, "um künftigen Missverständnissen möglichst vorzubeugen". Auch Bundespolizisten halten - ebenso wie ihre Kollegen von der bayerischen Polizei - die bisherigen Schilder für zumindest unglücklich formuliert.

Ein Hinweis auf die überall gültige Notrufnummer 110 würde verhindern, dass Fahrgäste in Not sich künftig so im Stich gelassen fühlen, wie es Ammar Fetaiti passiert ist. Der Philosophie-Dozent floh schließlich aus der S-Bahn und erstattete noch am selben Tag Anzeige bei der Bundespolizei. Die Täter konnten bisher nicht ermittelt werden.

© SZ vom 30.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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