Blau ist keine kalte Farbe für Stephanie Bjarnason. "Es ist eine Farbe, die beruhigt. Eine, die Gelassenheit vermittelt, und Vertrauen", sagt die Cafébesitzerin. Konsequenterweise ist Blau die dominierende Farbe im Café Blá. In verschieden schattierten Waben an der Wand, es ist die Farbe der Tafeln, auf der die Preise stehen. Die Markisen draußen sind blau-weiß gestreift, das Haus ist hellblau, Bjarnasons Augen sind blau, und oft genug sind es ihre Ohrringe oder ihr Pulli auch. Blau ist naturgemäß auch das Bild, das an der Wand hängt. Das von den Geysiren, die kurz nach Sonnenuntergang heißes Wasser in den Himmel spucken. Es ist in Island entstanden, natürlich. Café Blá, das ist isländisch, blá heißt blau.
Stephanie Bjarnason ist halb Französin, halb Isländerin. Sie ist in Frankreich aufgewachsen, hat Familie in Island und lebt seit ihrem Studium in München. "Ich habe es geliebt, als Ingenieurin zu arbeiten", sagt die 29-Jährige. Aber sie hatte das alles so gerade durchgezogen, die Lebenslinie ein Linealstrich. Schulabschluss mit 17, Master mit 21, dann los, die Arbeitswelt erobern. Bjarnason nahm sich eine Auszeit, "ich bin natürlich nach Island gefahren, aber die meiste Zeit habe ich hier verbracht. Ich wollte mich hier, in meiner gewohnten Umgebung, in Frage stellen." Und das, was sich da herauskristallisierte in ihrem Kopf, das war der Wunsch nach einem eigenen Café.
Café Blá:So sieht es im blauen Café aus
Sogar die Kaffeemaschine ist blau, und der Papageientaucher darf natürlich nicht fehlen: Eindrücke aus dem isländischen Café Blá.
In ihrem Café in der Lilienstraße wird jetzt also die nordische Kaffeekultur zelebriert. Die isländische insbesondere. Die Isländer lieben ihren Kaffee. Und zwar Filterkaffee. Verschiedene Röstungen brüht Stephanie Bjarnason für ihre Gäste auf, es gibt aber auch Kaffeespezialitäten wie den australischen "Flat White". Ihr hauseigener Kaffee aus der Rösterei "Vits" heißt "Álfrún". Dieses "Elfengeheimnis" schmeckt nach Zitrusfrüchten und einem Hauch dunkler Schokolade. Für die italienischen Kaffeespezialitäten steht eine blaue Maschine auf der Theke, eine La Marzocco. Ganz auf Filterkaffee zu setzen in der Stadt, die sich gern als die nördlichste Italiens versteht, das war Bjarnason dann doch zu gewagt. Nicht, dass ihre Gäste nicht auch islandaffin wären. Manchmal gibt es Unterhaltungen quer über die kleinen Tische: Wenn eine Kundin sagt, ihr Mann hätte ihr einen Antrag auf der Insel gemacht, ruft eine andere rüber, "wie lustig, wir waren da in den Flitterwochen!"
Viele Münchner waren schon mal auf Island oder wollen hin. Island ist Sehnsuchtsort geworden. Die kleine Insel kann sich vor Touristen kaum mehr retten, mehr als 1,5 Millionen kommen im Jahr, Einwohner gibt es nicht einmal 350 000. Die Leute kommen wegen der beeindruckenden Natur. Island ist angesagt, seit der Europameisterschaft noch mehr. Stephanie Bjarnason beschäftigen die Probleme des Touristenansturms, die zunehmende Vermüllung, trotzdem freut sie sich, wenn es um den Fußballsommer geht. "Ich glaube, es hat einen guten Eindruck vermittelt, wie die Menschen dort sind, wie der Zusammenhalt ist", sagt sie. "Von der Natur wussten viele, aber nicht unbedingt, dass die Isländer auch besondere Menschen sind."
Es sind eben wenige, erzählt Bjarnason, und dadurch sind alle ein wenig wie Cousinen und Cousins. Eine große Gemeinschaft. Menschen, die die Natur besonders schätzen und sie ehren. Und auch Menschen, die in der kalten Jahreszeit nur selten die Sonne sehen und sich gegenseitig zum Kaffee einladen: Herzens- statt Sonnenwärme. "Bevor die Touristen kamen, gab es eigentlich kaum Restaurants", sagt Bjarnason, "deswegen hat man sich immer bei jemandem zu Hause getroffen."
Jeder soll hier so sein dürfen, wie er will
In München leben 80 Isländer. Auch für sie ist das Café Blá ein Stück Heimat. Sie bekommen hier Zimtrollen, die die Besitzerin nach einem Rezept eines isländischen Bäckers backt, und Skyr-Kuchen. Skyr ist ein Milchprodukt, eine Art Joghurt mit wenig Fett und viel Eiweiß. Im Café Blá wird ein Käsekuchen mit Heidelbeeren daraus. Ein Tagesgericht gibt es außerdem, Suppe zurzeit, und Waffeln mit verschiedenen Toppings, süß oder herzhaft.
Stephanie Bjarnason hat noch andere isländische Spezialitäten, Mitbringsel der Verwandtschaft. Die sind aber eher für sie selbst, aus gutem Grund: "Schleppst du eigentlich einen Aschenbecher mit dir rum?", fragten sie Münchner Freunde, mit denen sie durch Island reiste. Es war aber nur ihr geliebter fermentierter Hai in einer Tupperdose, der einen sehr distinktiven Geruch verströmt. Mutige Stammgäste haben ihn schon probiert, und dann schnell einen Schluck "Brennivín" hinterher genommen, isländischen Kartoffelschnaps. Auch der steht nicht auf der Karte.
"Mein Café gehört zum Alltag vieler Leute", sagt Bjarnason. Einer kommt einmal die Woche, immer zur gleichen Zeit, und trinkt stumm seinen Kaffee. Andere schauen täglich vorbei, wechseln ein paar nette Worte. Jeder soll hier so sein dürfen, wie er will, das finden, was er sucht - ob Ruhe oder Geselligkeit.