Im jahrelangen Ringen um die Finanzierung des zweiten Münchner S-Bahn-Tunnels ist der entscheidende Durchbruch gelungen. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) verkündeten am Dienstag die endgültige Einigung mit dem Bund auf ein Finanzierungskonzept. Zeil rechnet damit, dass die ersten Bauarbeiten Ende 2014 oder Anfang 2015 starten. Die Inbetriebnahme des Tunnels, der laut Ministerium insgesamt 2,047 Milliarden Euro kosten soll, stellte er für 2020 in Aussicht.
Die Finanzierungslücke von zuletzt 700 Millionen Euro schließen Freistaat, Bund und Stadt gemeinsam. Zum einen greifen sie auf ein Darlehen in Höhe von 492 Millionen Euro zurück, das vom Münchner Flughafen zurückgefordert wird. Weitere 100 Millionen Euro steuert der Freistaat aus Rücklagen bei. Und der Bund stellt nach Angaben Zeils zusätzlich 108 Millionen Euro bereit. "Damit ist der Weg für die zweite S-Bahn-Stammstrecke frei", sagte der Minister. Auch über die Finanzierung des Risikobudgets in Höhe von 500 Millionen Euro sei man sich einig. Der Bund trage 60 Prozent dieses Postens, Land und Bahn teilten sich den Rest.
Massive Zweifel an Zeils Aussage äußerte die Opposition im Landtag. "In den vergangenen Jahren wurde seitens der Staatsregierung x-mal verkündet, dass die Finanzierung in trockenen Tüchern sei", sagte Grünen-Fraktionschef Martin Runge. "Immer wieder fielen dann die Finanzierungsgebäude und -träume in sich zusammen." So habe der Bundestag nach wie vor der Umwidmung des Flughafendarlehens nicht zugestimmt, sagte Runge. Zudem dürfe man aus juristischen Gründen den Flughafenkredit gar nicht für den Bau der zweiten Röhre verwenden. Zeil entgegnete, der "politische Wille" dazu sei bei allen Beteiligten da, "die technischen Details" würden "nun ausgefeilt". - "Das kommt so", sagte der Minister. Auch die Zusage des Bundes über die 108 Millionen Euro sei "vollkommen eindeutig festgelegt".
Der Einigung waren mehrere Spitzengespräche in den vergangenen Tagen vorausgegangen. Am Freitag hatten Seehofer und Zeil sowohl mit Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) als auch mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) getroffen. Am Montagabend gab es Gespräche mit den Regierungsfraktionen in Bayern. Die formale Zustimmung der Fraktionen stehe allerdings noch aus, sagte Zeil. Andere Bahnprojekte im Freistaat würden wegen des Projekts nicht zurückgestellt.
Der Minister rechnet schon im kommenden Jahr endgültig mit Baurecht - und zwar für alle drei Hauptbauabschnitte. Derzeit liegt nur für den Abschnitt zwischen Hauptbahnhof und Isar eine Baugenehmigung vor. Diese wurde aber von Marienhof-Anliegern beklagt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hatte daraufhin den Anrainern einen verbesserten Lärmschutz zugesprochen - gegen diese Auflagen sperrte sich wiederum das Eisenbahnbundesamt als zuständige Genehmigungsbehörde und zog vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Zeil rechnet damit, dass eine Entscheidung der Leipziger Richter im Frühjahr 2013 fällt; möglich sei auch ein Vergleich, deutete er an. Anschließend dürften "sehr schnell" weitere Baugenehmigungen für die restlichen Abschnitte folgen, so Zeil. Zuletzt hatte es aber Streit zwischen der Bahn und den Stadtwerken gegeben, weil am Hauptbahnhof mehrere Verbindungsgänge zwischen U-Bahn und neuer S-Bahn-Röhre gebaut werden sollen - wie der Disput letztlich gelöst wird, ist offen. Zeil geht dennoch davon aus, dass Ende 2014 mit Vorabmaßnahmen begonnen wird, 2015 sollen die Hauptbaumaßnahmen starten. "Bis 2020" solle die zweite Stammstrecke fertig sein. "Das sollte realistisch sein nach den Plänen, die wir jetzt aufgestellt haben", sagte Zeil.
Mögliche Klagen gegen das Projekt werde man nicht abwarten, sondern "natürlich vom Baurecht Gebrauch machen", kündigte der Minister an. Es sei "nicht verantwortbar, Jahre zuzuwarten". Man plane das Projekt für die täglich bis zu 800.000 S-Bahn-Pendler. Belastungen während der Bauzeit müsse "die Bürgergemeinschaft durchstehen". Vor allem in Haidhausen hat sich Widerstand formiert. Anwohner und Gewerbetreibende befürchten Erschütterungen, Lärmbelastungen, Umsatzeinbußen und Wertminderungen ihrer Anwesen. Mehr als 1400 Einwendungen von Bürgern gingen allein dort gegen das Projekt ein. Zudem hat die örtliche Bürgerinitiative bereits Klagen angekündigt.
Tunnelgegner rechnen zudem mit weiteren Kostensteigerungen. Die Bahn würde intern bereits mit 2,6 Milliarden Euro rechnen, heißt es bei den Grünen. In einem internen Dokument aus dem Bahn-Aufsichtsrat, über das die Süddeutschen Zeitung im Dezember 2011 berichtet hatte, wurden Gesamtkosten von 2,237 Milliarden Euro genannt. Zeil entgegnete am Dienstag, es gebe kein Projekt, das "so genau und ausführlich auf Risiken und Kostensteigerungen untersucht worden ist" wie die zweite Röhre.
Der Betrag von 2,047 Milliarden Euro sei nominalisiert, sagte der Minister - also bis 2019 mit einer Steigerungsrate von zwei Prozent pro Jahr hinterlegt. Zudem werde man ein "striktes Risikomanagement" einführen, um die Kosten im Griff zu halten. Und mit dem 500 Millionen Euro schweren Risikobudget habe man sich "für alle Wahrscheinlichkeitsklassen" abgesichert.