Neue Heimat:Skifahrer oder Astronaut?

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Astronaut? Postmoderner Ritter? Selbst fahrender Ski-Roboter? Nein, einfach nur ein Wintersportler. (Foto: Darek Delmanowicz/dpa)

Unser Autor aus Syrien fuhr früher in seiner Heimat auch Ski - auf Plastikflaschen den Lehmhang hinunter. In Bayern fühlt er sich dagegen in einen Science-Fiction-Film versetzt.

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Wenn man im Landkreis Ebersberg wohnt, sieht man bei klarer Sicht weit in die Berge hinein. Mit dem Schnee bietet sich einem in diesen Tagen ein Panorama, das ich lange nur aus Filmen und Youtube-Clips kannte. Und so ist nach zwei Jahren in Bayern die Zeit für mich gekommen, die Berge im Winter zu erkunden. Zu diesem Zweck schnallt sich der Bayer zwei Bretter aufs Dach, setzt sich eine Schneebrille auf und stellt sich mit seinem SUV mit Sitzheizung in den Stau auf die Autobahn Richtung Garmisch. Mir war nicht bewusst, dass Skifahren so bequem ist.

Nun, es gehört natürlich schon noch etwas mehr dazu. Das merkte ich, als ich auf der Piste angelangt war und ein Mann mit langem eisbedeckten Bart, Schweißerbrille, Raumanzug und Ritterhelm auf mich zufuhr. Er zog eine dicke Schneewolke hinter sich her, und es hätte fast gekracht, was blöd gewesen wäre, weil ich keinen Ritterhelm besaß. Mit offenem Mund und Augen wie ein Frosch stand ich vor dieser Gestalt, als wäre sie ein Abkömmling von einem fremden Stern.

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Bayerische Skifahrer kommen oft daher wie Soldaten aus Science-Fiction-Filmen, mit so viel Hightech an Armen, Kopf und Beinen, das man meinen könnte, die Geräte verrichteten die Arbeit von alleine. Leider ist dies ein Trugschluss.

Als ich in Garmisch eine der Gondeln bestieg, wollte ich am liebsten gleich wieder aussteigen, weil es eng war und weil die Gondel bedenklich schaukelte. In großer Höhe konnte ich den Charme des Bergpanoramas nur mehr schwer genießen, von der Wackel-Gondel aus sah ich die kleinen Punkte auf der Piste. Dort musste ich runter? Mein Wunsch, die Flucht zu ergreifen, wurde größer.

Man muss wissen, dass es in meiner Kindheit in Syrien keinen Schnee gab, nicht in Raqqa, wo meine Familie herstammt. Wir Kinder wollten das Skifahren aber nicht missen, also bauten wir uns Schuhe mit breiten Sohlen aus Plastikflaschen, dazu Helme aus alten Fußbällen und bewegten uns auf nassem Lehm mit Holzstöcken kleine Hügel hinunter. Erst während meines Studiums in Damaskus gab es dann einen größeren Hügel, den Berg Qalamoun, der im Winter für kurze Zeit mit Schnee bedeckt war. Die es sich leisten konnten, probierten dort das Skifahren mit echten Skiern aus, was nicht sonderlich elegant aussah, aber nach viel Spaß. Leider kann dieser Berg heute nicht mehr besucht werden, denn dort, wo früher die Piste war, steht heute eine Militär-Kaserne.

Oben angekommen lief ich mit meinen Skiern zum Eingewöhnen wie ein Pinguin in der Ebene, was sicherlich äußerst elegant ausgesehen haben muss. Und dann war es soweit: Es ging in die Abfahrt, und die Skier funktionierten einwandfrei. Es flutschte richtig gut, allerdings flutschte es etwas zu gut. Die Skier wollten schneller fahren als ich, da rutschte mir erst das Herz in die Hose und dann ich in einem Affenzahn den Hang hinab. Wie bremst man diese Dinger nur? Ich versuchte nun auf akrobatische Weise, den Sturz zu verhindern. Schließlich bremste ich mit Händen und Nase, während ein Kind mit einem siegessicheren Lächeln an mir vorbeidüste.

Nach diesem mäßigen Erfolg nahm mich einer meiner Freunde an die Leine, wie ein Pferd, bei dem man damit rechnen muss, dass es jeden Moment durchgeht. Im Prinzip war das aber nicht mehr nötig, denn die Leute auf der Piste hatten das Weite gesucht. Vielleicht trieb sie der Hunger in die Berghütten, vielleicht aber auch die Angst vor meinem nächsten Auftritt. Praktisch war es allemal, denn nun hatte ich freie Fahrt und freie Sicht auf die Schönheit des bayerischen Winters.

© SZ vom 04.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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