Neue Heimat:Windelwechselnde Männer sind in Afrika seltener als Wasser in der Wüste

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Es gibt natürlich auch in Bayern Männer, die noch darauf bestehen, dass die Frau den Haushalt macht. (Foto: dpa)

Die Frau liegt auf der Couch, während der Mann putzt: Solche Szenen sind in Uganda unvorstellbar. In München ist das zwar anders, doch so ganz traut unsere Kolumnistin dem Ganzen nicht.

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Wenn Frauen auf der Couch liegen, während die Männer die Hausarbeit verrichten, wäre das für die männliche Bevölkerung in Uganda eine Beleidigung. Unvorstellbar, dass die Frau auf dem Fernsehsessel sitzt, während der Partner in der Küche steht und kocht, die Kinder badet oder das Haus putzt. Es ist so unvorstellbar, weil es so gut wie nie vorkommt.

In München wird erstaunlicherweise das Gegenmodell praktiziert. München ist das perfekte Beispiel für Partnerarbeit im Haushalt, und das haben einige meiner afrikanischen Brüder mit deutschen Ehefrauen zu spüren bekommen. Ich erinnere mich noch gut an die Bestürzung eines Freundes, als er mir von seinem ersten Einsatz als Windelwechsler erzählte. Ein anderer - ein Nigerianer - weigert sich hingegen bis heute erfolgreich, zuhause mitzuhelfen, ganz im afrikanischen Sinn: Die einzige Arbeit die der Mann im Haus macht, findet im Schlafzimmer statt.

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Für jede Gelegenheit gibt es im Südwesten Nigerias eine eigene Grußformel. Dass bei der Begrüßung Küsse ausgetauscht werden, kannte unser Kolumnist dagegen lange Zeit nur aus Filmen.

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Seit ich 2010 nach Deutschland kam, hat sich bei mir ein ganz anderes Bild verfestigt. Deutsche Frauen leben nicht mehr in diesem tief verwurzelten Sozialgefüge, in dem ein Mann die Brötchen holen soll und die Frau mit der Brotmaschine in der Küche wartet, gefangen wie in einem Käfig. Es gibt natürlich auch in Bayern Männer, die noch darauf bestehen, dass die Frau den Haushalt macht. Und es gibt Frauen, denen das nichts ausmacht. Aber es geht immer mehr in Richtung Gleichberechtigung.

Wie man das Ganze auch sehen mag, ich finde das Phänomen äußerst spannend. Erst recht als ich im Münchner Westpark zum ersten Mal einen Mann sah, der in der Öffentlichkeit Windeln wechselte. Das Baby lag auf einer Decke im Gras, das Gesicht des Mannes gab keinen Hinweis auf die Aromen in der Windel. Er verzog keine Miene, so als sei es völlig normal. So, wie es in Uganda auch passieren würde, aber eben nur bei Frauen. Szenen wie im Westpark sind in Afrika dagegen seltener als Wasser in der Wüste. Ich schaute dem Mann minutenlang fassungslos zu, wie er seelenruhig die Windel in einen Sack stopfte.

Äußerst wenig Talent beim Putzen

Und ich dachte mir: Wenn dieser Mann hier im Park so einen souveränen Auftritt hinlegt, wie gut muss er erst bei Arbeiten in seinem Haus sein? Neugierig wie ich bin, habe ich ihn gefragt. Das Ergebnis meiner Recherche war, dass es bereits einen Menschen in seinem Leben gab, der von seinen tollen Hausmanns-Fähigkeiten profitiert. Schade, aber es war ja fast abzusehen.

Und trotzdem traute ich dem Ganzen noch nicht. Irgendwo musste diese Gleichberechtigung doch einen Haken haben. Und es stimmte: Meine Freundin Julia geht arbeiten und teilt sich die Hausarbeit ebenfalls mit ihrem Mann. Die beiden sind seit zehn Jahren verheiratet - und ihr Mann übernimmt mit großem Eifer Arbeiten wie Wäschewaschen oder Tellerabtrocknen - alles freiwillig.

Das Dumme ist nur, so hat es mir Julia überliefert, dass ihr Mann beim Trocknen und Putzen äußerst wenig Talent mitbringt, so dass sie meistens alles noch mal machen muss. Für sie ist das aber nicht schlimm, sagt sie. Manchmal ist ein guter Wille auch schon viel wert.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

© SZ vom 09.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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