Nachruf:Der legendäre Jazztrompeter Dusko Goykovich ist tot

Lesezeit: 3 min

Der große Dusko Goykovich im Jahr 2017 bei einem Konzert in Ottobrunn. (Foto: Claus Schunk)

Eisern mühelos: Zum Tod des großen Jazztrompeters Dusko Goykovich. Das Geheimnis einer langen Karriere.

Von Oliver Hochkeppel

Normalerweise haben Blechbläser wie Sportler ein biologisches Ablaufdatum: Wenn Lungenvolumen und die Kraft für die Lippenspannung nachlassen. Nur für den Jazz-Trompeter Dusko Goykovich schien das nicht zu gelten. Noch im hohen Alter blies der Mann, der ohnehin immer mindestens 20 Jahre jünger aussah als er war, wie ein junger Gott. Mühelos sah alles bei ihm aus, und lässig legte er die vermutlich längste Karriere aller Jazz-Trompeter hin.

In Wahrheit steckte eiserne Disziplin dahinter. Mindestens drei Stunden pro Tag übte er, "nach einem eigenen System", wie er erklärte. Das Hotel Bayerischer Hof ließ ihn dazu jahrelang in den tagsüber verwaisten Nightclub. Später durfte er in einen Raum des Jazzinstituts im Gasteig. Da sah man ihn zwischendurch in der Cafeteria sein geliebtes Glas Weißwein trinken, auch ein Teil seiner Methode.

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Wer wohl wusste, dass da der "Mann mit dem Wunderhorn" saß, wie ihn die Amerikaner schon in den Fünfzigerjahren getauft hatten? Der "bosnische Wundertrompeter", als der er danach in Deutschland bekannt wurde. Im bosnischen Jajce als Dušan Gojkovic 1931 geboren, wuchs er in Belgrad auf, musikalisch zunächst eher in der volksmusikalischen Tradition. Aber schon als Bub hörte er heimlich die Jazzsendungen von Willis Conover im Radiosender "Voice of America" und sah Hollywood-Filme wie "Young Man with a Horn" mit Kirk Douglas. So cool wollte er auch sein, der Trompeter Roy Edridge wurde sein erster Held. Mit 15 kaufte er sich "auf Kommission" ein altes Kornett.

Mit einem Feldbett im Jazzkeller

Nach der Musikschule begann er 1950, gerade erst 19-jährig, bei der Belgrader Radio Bigband RTS, 1955 konnte er dem beengenden Jugoslawien den Rücken kehren, als ihn Carlo Bohländer in die Rundfunkband des Hessischen Rundfunks holte. In Frankfurt, damals die deutsche Jazz-Hauptstadt, konnte er im legendären "Jazzkeller" - wo er sich mit Feldbett und Schlafsack einquartiert hatte - nun all den Größen begegnen, die er bewunderte: Attila Zoller, Oscar Pettiford, Dizzy Gillespie, mit dem ihn bald ebenso eine Freundschaft verband wie später mit Stan Getz, Chet Baker und Miles Davis.

Nach Zwischenstationen bei Max Greger und vor allem Kurt Edelhagens WDR Bigband zog er 1958 in die USA weiter, wo er noch im selben Jahr eine kleine Sensation beim Newport Jazz Festival war und fortan unter den US-Stars herumgereicht wurde. Woody Herman, Gerry Mulligan oder Sonny Rollins, dann die Clarke Boland Bigband ("meine beste Zeit") - kaum ein Name von Rang, mit dem er in dieser Zeit nicht zusammengespielt hätte. Und das, obwohl er gleichzeitig noch ein komplettes Studium am berühmten Berklee College of Music durchzog, als einer der ersten Europäer.

"Alles, was ich weiß, habe ich da gelernt. Nicht Trompete, aber Komposition und Arrangement. Herb Pommeroy war mein Lehrer. Stan Kenton, Count Basie und sogar Duke Ellington wollten mich währenddessen in ihre Bands holen, aber ich wollte unbedingt das Studium beenden. Diese Entscheidung verfolgt mich noch heute", erzählte er später. Zwei Tage nach seinem Abschluss nahm er das erste Angebot an. Es kam von Maynard Ferguson.

"Fünf Jahre New York haben mir gereicht."

Doch das Musikerleben in den USA war hart. "Fünf Jahre in New York haben mir gereicht. Schwarze durften damals nicht fliegen. Tausende Kilometer sind wir im Bus gefahren," berichtete er. Er ging zurück nach Deutschland, erst nach Köln, 1968 dann nach München, damals "der Nabel der Szene", wie er sagt: "Alle sind damals nach München gegangen, von überall her: Joe Haider, Klaus Doldinger, Olaf Kübler, Nathan Davis; Mal Waldron kam zwei Monate nach mir. Es gab damals auch noch viele Studio-Jobs. Und abends ging es in die Clubs. Es war auch die große Zeit des Domicile in der Siegesstraße, wo ich lange in der Hausband spielte."

Seither war Goykovich in München zu Hause und eine Schlüsselfigur der Szene: als Gründer der Munich Big Band, als erster Leiter des Landesjugendjazzorchesters und mit zahllosen Veröffentlichungen vor allem bei seinem Münchner Hauslabel Enja.

Sein Album "Swinging Macedonia" begründete mit der Mischung aus den Melismen und Rhythmen seiner Heimat mit dem Jazz-Idiom den ersten "Balkan-Jazz"-Trend. Aber es gelang ihm, sich immer wieder neu zu erfinden, mal mit Soul, mal mit Brasilianischem, aber stets swingend und mit diesen unnachahmlich eleganten Trompetenlinien.

Erst starb seine Frau, dann erkrankte er an der Lunge

Was es an Preisen zu holen gab, hat er geholt, vom Jazz Echo bis zuletzt zum überhaupt erst zwei Mal vergebenen "Berklee Master of Global Jazz Award". 2015 bekam er, ebenfalls als erst zweiter Jazzmusiker nach Klaus Doldinger, den Musikpreis der Landeshauptstadt München. Da spielte er im Alten Rathaus-Saal noch groß auf.

Als aber wenig später seine geliebte Frau starb, die er Anfang der Sechziger Jahre im Reisebüro kennengelernt hatte und die sich bis zuletzt um all seine Reisen und Termine kümmerte, hat ihn das schwer getroffen. Danach merkte man ihm zum ersten Mal sein Alter an, auch wenn er noch bis kurz vor der Corona-Pause Gastauftritte und Konzerte gab.

Kurz vor seinem 90. Geburtstag im vergangenen Jahr erkrankte er an der Lunge, bei der zu seinen runden Geburtstagen üblichen großen Party in der Unterfahrt konnte er schon nicht mehr spielen. Die Trompete aus der Hand zu legen, das hat ihn sicher Lebensmut gekostet. In der Nacht von Mittwoch auf Gründonnerstag ist Dusko Goykovich 91-jährig gestorben.

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