Feierabend:München ist die Hauptstadt des Nahverzehrs

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Großstädtisch, sättigend und dazu noch belebend: München bekommt auf den Bahnsteigen eine neue Art von Kiosken. (Foto: Robert Haas)

Nirgendwo sonst kann man auf dem Heimweg so vielen Menschen bei der Nahrungsaufnahme in Bus und Bahn zuschauen.

Kolumne von Andreas Schubert

Jetzt hat die Stadt Wien also das Essen in der U-Bahn verboten. Also nicht nur solches, das anderen olfaktorisch auf die Nerven geht, sondern jegliche Form der Nahrungsaufnahme - also auch den Genuss von geruchlosen Fertigschmeck-Fitnessriegeln. Mei, die Wiener werden's schon verschmerzen, wenn sie zwecks Verzehr länger am Würstelstand stehen bleiben müssen. Aber weder Münchner Verkehrsgesellschaft noch die Bahn haben sich bisher an so ein Verbot herangetraut.

Denn München ist die Hauptstadt des Mobile Food, wie das so schön heißt. In keiner anderen Stadt kann man so vielen Menschen bei der Nahrungsaufnahme auf dem Heimweg zuschauen - und während Imbissstände an der Oberfläche immer rarer werden, sind die Zwischengeschosse der großen Verkehrsknotenpunkte inzwischen regelrechte Food Courts - Essensmärkte, die keinen Wunsch offen lassen. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind längst, na ja, zu Verzehrsmitteln geworden.

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Der Trend geht dabei zur Hauptmahlzeit. Eine Bäckereikette etwa bietet in der U-Bahn das Bavaria-Sandwich an, ein Laugenteig-Monstrum, für dessen Verzehr man locker vom Marienplatz bis nach Fürstenried West braucht. An einen üppigen Dürüm-Döner kaut der bewegte Gourmand gar mindestens zwischen Stachus und Planegg. Und auch die Radler haben die Zeichen der Zeit erkannt: Nicht selten sind sie, mit Headset und Avocado-Sandwich bewehrt, gleichzeitig kauend und telefonierend unterwegs. Ob der Mensch am anderen Ende der Leitung dann etwas versteht oder nicht, ist nebensächlich, Hauptsache man spart sich Zeit.

All das hat seinen Grund: Denn München ist auch die Hauptstadt der Selbstoptimierer, für die es viel zu lange dauert, in Ruhe zu essen. Sind sie dann im Outback angekommen, haben sie ausreichend Zeit, auf dem Mountainbike oder in Jogging- Sneakers weiter an ihrer Selbstoptimierung zu feilen. Warum es in U-, Tram- und S-Bahnen noch keine Speisewagen gibt, ist und bleibt deshalb ein Rätsel. Die Nachfrage wäre da, und die Gastro-Einnahmen wären als Zubrot für den ÖPNV-Ausbau auch nicht verkehrt.

© SZ vom 20.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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