Ramadan:Mit dem Fastenbrechen auch das Schweigen brechen

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Fastenbrechen im Münchner Forum für Islam (von links): Eva Haller, Nermina und Benjamin Idriz, Generalvikar Christoph Klingan, Markus Rinderspacher, Christian Ude und Verena Dietl. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Münchner Forum für Islam lädt Religionsvertreter und Politiker zum Fastenbrechen in sein Zentrum. Es ist der Versuch, einen Bruch zu kitten. Nicht allen ist das Kommen leichtgefallen.

Von Andrea Schlaier

18.17 Uhr: Auf die Minute genau, in der die Sonne am Mittwoch in München untergegangen ist, war es nicht zu schaffen. Muslime brechen während des Ramadans dann ihr tägliches Fasten traditionell mit einer Dattel - dem Symbol der Reinigung. So hatten sie es auch im Münchner Forum für Islam (MFI) geplant und zum sogenannten Iftar ins eigene Haus an der Hotterstraße hochrangige christliche, jüdische und orthodoxe Gäste wie auch die Politik aus Stadt und Landtag geladen. Dass fast alle gekommen sind, ist schon eine Nachricht. Die Beziehungen untereinander sind infolge des Israel-Palästina-Konflikts schwer gestört - der Redebedarf, wie sich zeigt, beträchtlich. Die Datteln werden erst mit einer halben Stunde Verspätung gereicht.

"Ich weiß nicht, ob Sie Hunger haben - wir Muslime schon." Als sich Imam Benjamin Idriz, Vorsitzender des liberalen MFI-Vereins, kurz vor 19 Uhr im ersten Stock des Zentrums lächelnd vor seine etwa 100 Gäste stellt, ist das Zeichen des Abends längst gesetzt: Der Reihe nach haben die Grußredner einen vorsichtigen Versuch unternommen, den Bruch zu kitten, der mit dem Scheitern des interreligiösen Gebetes für den Frieden im Nahen Osten Anfang November auf dem Marienplatz zutage getreten ist. Juden, Christen und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatten die von den Muslimen initiierte Veranstaltung kurzfristig abgesagt. Vorausgegangen war der Vorwurf eines linken Bündnisses, der mitbeteiligte Muslimrat agiere antisemitisch.

"Als gläubige Menschen sind wir dazu aufgerufen", sagt Idriz eingangs, "Hass und Feindschaft auf der Straße" etwas entgegenzusetzen und vor allem in schwierigen Zeiten das Gespräch zu suchen und "Verständnis für den jeweils anderen aufzubringen". Man dürfe nicht "hierzulande zulassen, dass unsere Emotion und unsere Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe der Gerechtigkeit gegenüber anderen im Wege steht". Gleichzeitig fordert der Theologe, der auch Imam der Penzberger Moschee ist, dass mit derselben energischen Entschlossenheit, mit der antisemitische Äußerungen völlig zu Recht verdammt würden, auch gegen jede Form der Islamfeindlichkeit vorgegangen werde.

"Manche Gesprächsfäden sind leider abgerissen"

Es sei ihr nicht leicht gefallen, die Einladung zum Iftar anzunehmen, bekennt die Jüdin Eva Haller am Rednerpult. Die Präsidentin der Europäischen Janusz Korczak Akademie atmet tief durch: "Der 7. Oktober sitzt sehr tief in meiner Seele. Er sitzt sehr tief in der Seele des jüdischen Volkes." Sie sei trotzdem hergekommen, weil sie durch jahrelange Arbeit Vertrauen und eine "zarte Freundschaft" zu Mitgliedern des MFI aufgebaut habe, "wir als Menschen untereinander". Sie wünsche sich, "dass wir alle als Gemeinschaft hier, egal ob Muslime, Juden oder Christen wieder respektvoll miteinander sprechen können".

Vor ihr bekennt Christoph Klingan, Generalvikar des Erzbistums München und Freising, freimütig wechselseitige Vorwürfe unter den Münchner Religionsgemeinschaften infolge des "unendlichen Leids im Nahen Osten". "Manche Gesprächsfäden sind leider abgerissen, lange Gewachsenes ist erschüttert worden." Man solle sich von Terror und Hass aber nicht hineinziehen lassen in Spaltungen und jeder Form des Rassismus widerstehen. Das gemeinsame Fastenbrechen eröffne die Möglichkeit zur vorurteilsfreien Begegnung und zum Gespräch.

Überraschend überschwängliches Bekenntnis der Bürgermeisterin

Getrübt ist seit dem Scheitern des interreligiösen Friedensgebets auch das Verhältnis zwischen Muslimen und der Stadtspitze. Monatelang, das hat Idriz im Gespräch mit der SZ erklärt, gab es keinen Kontakt. Umso erstaunlicher das überschwängliche Bekenntnis von Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD), die am Mittwoch auch ihre Aufwartung macht: "Aus Münchner Sicht ist das Forum für Islam eine Bereicherung für die Stadt." Gerade in schwierigen Zeiten sei es wichtig, im Dialog zu bleiben. Das dürfte auch der Grund sein, warum sich am Abend Stadträtinnen und Stadträte so zahlreich einreihen.

Wie schwer es sei, Gesprächsfäden, die einmal gerissen sind, wieder aufzunehmen, sei all jenen bewusst, die sowohl Kontakte in die jüdische als auch in die muslimische Welt Münchens hätten, konstatiert Markus Rinderspacher (SPD), Vizepräsident des Bayerischen Landtags. Alt-OB und Vorsitzender des MFI-Kuratoriums Christian Ude stellt eine Forderung an die Anwesenden: "Ich erwarte von den Religionsgemeinschaften, allen, dass ich eine menschliche Einstellung zum Krieg artikulieren darf, ohne sofort von einer Seite gerügt zu werden, dass ich nicht für diese Seite Partei genug ergreife."

Delila Kalebic singt für Gäste und Gastgeber, bevor es an die reich gedeckten Tafeln geht. (Foto: Stephan Rumpf)

Marian Offman, Beauftragter für interreligiösen Dialog in der Stadt, ist einer der wenigen anwesenden Juden. Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde und der liberalen Gemeinde Beth Shalom seien der Einladung nicht gefolgt, sagt Idriz. "Trotzdem glaube ich, dass der heutige Tag für uns Muslime in München ein Start sein kann." Die Politik, so der Imam, "checkt, dass sie mehr auf Muslime zugehen muss".

Um sichtbarer zu werden, fordert der Imam eingangs mehr Selbstverständlichkeit im gegenseitigen Umgang und wird darin unterstützt vom evangelischen Regionalbischof für München und Oberbayern, Thomas Prieto Peral. Das könne auch eine festliche Ramadan-Beleuchtung auf dem Münchner Marienplatz sein, sagt Idriz.

"Ich wünschte, es blieb so das ganze Jahr wie im Ramadan", singt zu Beginn Delila Kalebic für die Gäste, bevor die sich später einen Stock tiefer an reich gedeckte Iftar-Tafeln setzen. Die reinigende Dattel haben die meisten da schon verspeist.

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