Münchner Dokumentarfilmfestival:Mehr Platz in der Hochkultur

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Das Münchner Dokfest feiert sein 25-jähriges Jubiläum: Die neuen Leiter, Christian Pfeil und Daniel Sponsel, sprechen über ihre Arbeit und die Zukunft von Filmfestivals.

M. Knoben

Das Münchner Dokumentarfilmfestival feiert 25-jähriges Bestehen, mit einem frischen Team und neuen Ideen. Nachdem der langjährige Leiter Hermann Barth im vergangenen Jahr zurückgetreten war, führen nun der Dokumentarfilmregisseur Daniel Sponsel als künstlerischer Leiter und der Kinobetreiber Christian Pfeil als Geschäftsführer das Festival.

Daniel Sponsel (rechts), künstlerischer Leiter, und Christian Pfeil, Geschäftsführer des Dokumentarfilmfestivals, sehen den Standort München als großes Plus. (Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

SZ: Sie haben im September das Dokfest übernommen. Haben Sie sich die Arbeit so vorgestellt?

Daniel Sponsel: Wenn wir noch einmal September hätten, würden wir einige Dinge vorsichtiger angehen. Es gibt ja auch Veranstaltungen dieser Größenordnung, die im ersten Jahr nach einem Leitungswechsel ausfielen. Wir haben uns schon sehr viel vorgenommen.

SZ: Was gibt es Neues?

Sponsel: Die wichtigste Neuerung ist der deutschsprachige Wettbewerb, und damit meinen wir wirklich deutschsprachiger Wettbewerb. Über die Sprache wollen wir Themen stark machen.

SZ: Wozu die Reihe? Es gibt für den deutschsprachigen Dokumentarfilm schon jetzt gute Plätze .

Sponsel: Beim Festival in Leipzig etwa laufen im deutschen Wettbewerb Filme, die mich nach Argentinien führen oder Südafrika. Deutsch ist nur der Produzent, und das interessiert mich nicht.

Christian Pfeil: Bei uns soll es um Themen in der Nachbarschaft gehen, Themen die mit unserem Leben zu tun haben. Da wir beim Thema Neuerungen sind: Mein Lieblingsprojekt ist die Doktour: Fünf Kinos - in Aschaffenburg, Ochsenfurt, Bamberg, Nürnberg und Seefeld - spielen im Anschluss an das Dokfest ein Paket mit sechs von uns ausgewählten Filmen. So können auch Zuschauer außerhalb Münchens die Filme im Kino sehen.

SZ: Das Dokfest feiert Jubiläum. Was hat sich in den vergangenen 25 Jahren geändert in der Festivallandschaft?

Sponsel: Ich kann keine konkrete Zahl nennen, aber es gibt geschätzte 70 Prozent mehr Festivals als vor 25 Jahren.

Pfeil: Das hat zu der schwierigen Entwicklung geführt, dass die Festivals zu einem zweiten Kinomarkt geworden sind.

Sponsel: Früher war man stolz, wenn der eigene Film für ein Festival ausgewählt wurde, heute kommt der Verleiher und sagt: 350 Euro für jede Vorführung.

Pfeil: Und das ist noch günstig.

SZ: Wo sehen Sie das Dokfest in der Zukunft?

Sponsel: Ich wage keine Prognose, welche Festivals überleben werden. Festivals an sich werden aufgewertet werden. Jetzt sind sie noch nah am Fernsehen und am allgemeinen Kinobetrieb. In zehn Jahren werden sie hoffentlich stärker Teil der Hochkultur sein.

SZ: Wo wollen Sie das Dokfest positionieren?

Sponsel: In der Tendenz bleiben wir ein Publikumsfestival. Wir wollen nicht noch einen Markt andocken für Geschäfte, die doch nicht gemacht werden können, weil niemand mehr Geld hat.

Pfeil: Das große Plus des Festivals ist der Standort München, wo es ein großes Publikum dafür gibt. Wir haben festgestellt, dass mehr als zehn Prozent aller Filme in unserem Programm normale Kinostarts haben. Aber ich weiß auch, wie sie im Kino enden werden: Entweder sie laufen gar nicht in München, weil sich kein Kino dafür findet, oder sie laufen mal eine Woche bei mir um 18 Uhr. Es hängt vieles damit zusammen, dass die Förderung an die Kinoauswertung gebunden ist. Deshalb müssen so viele mittlere Dokumentarfilme eine Kinoauswertung haben, egal ob es einen Markt dafür gibt oder nicht. Es wird abzuwarten sein, ob sich diese Entwicklung fortsetzt oder besondere Filme doch wieder nur auf Festivals laufen.

SZ: Die Finanzierung des Dokfests war immer schwierig. Wie sieht es jetzt aus?

Pfeil: Wir haben mit der Stadt München einen starken Partner. Und auch das Land Bayern ist noch gut dabei. Außerhalb Bayerns interessieren sie sich aber nicht mehr für uns. Wir haben eine Förderung vom Auswärtigen Amt gehabt über Jahre, die jetzt auf ein Drittel geschrumpft ist und im nächsten Jahr ganz wegfällt. Man muss sehr genau über neue Finanzierungsmodelle nachdenken, zumal durch Sponsoring oder Anzeigen im Moment nicht viel zu erzielen ist.

SZ: Was meinen Sie mit "neuen Finanzierungsmodellen"?

Sponsel: Der Phantasie sind ja keine Grenzen gesetzt. Und auch der Veränderung nicht.

Pfeil: Man muss gucken, ob man sich entweder noch mal einen großen Partner sucht ...

SZ: ...wie etwa einen Sender?

Pfeil: ...einen Sender, von dem man dann ein klares Bekenntnis braucht. Oder man muss irgendwann vielleicht realistisch sein und das Festival kleiner machen, noch ausgewählter. Das muss man nach den Erfahrungen mit dem ersten Festival einmal durchrechnen.

SZ: Wie groß ist der Kraftakt?

Sponsel: Es ist ein Vabanque-Spiel. Wir haben drei oder vier feste Partner, die Einnahmen garantieren. Das, was dadurch drin ist in der Kasse, reicht aber lange nicht, um die Kosten zu decken. Diese Lücke zu füllen, ist ein Teil unserer Arbeit und bis zum Schluss ungewiss.

SZ: Schlafen Sie noch gut?

Pfeil: Unterschiedlich. Es ist ein Jonglieren und extrem anstrengend. Auch bei den Mitarbeitern lässt sich nicht mehr sparen, die arbeiten ohnehin mit einem irren Idealismus.

SZ: Wie lange wollen Sie das machen? Ihr Vorgänger Hermann Barth hat letztes Jahr gesagt, dass er nicht mehr mag.

Sponsel: Seine Entscheidung können wir mittlerweile gut verstehen. Wenn man sich überlegt, dass er das Festival allein geleitet hat. Es ist bewundernswert, was er geleistet hat. Wie lang wir das durchhalten? Lassen Sie uns mal das Festival abwarten.

© SZ vom 05.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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