Zwischennutzung:Beste Aussichten

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Mit Blick ins Grüne: Das neue Atelierhaus "super+TROPIKA" des Künstlerkollektivs "super+" beim Schwabinger Tor. (Foto: super+)

Das Künstlerkollektiv "super+" schafft temporäre Ateliers. Diesmal sind es 100 Räume in einem Haus am Schwabinger Tor. Dessen Name klingt wie ein großes Versprechen.

Von Evelyn Vogel, München

Plötzlich ging alles ganz fix: Seit diesem Freitag stehen den Kreativen in München gut 100 neue Ateliers, darunter neun Bandprobenräume, für eine künstlerische Zwischennutzung zur Verfügung. Und das nicht irgendwo an der Peripherie, sondern Mitten in Schwabing. Hinter dem Schwabinger Tor, zur einen Seite mit Blick ins Grüne, hat das Künstlerkollektiv "super+" um den Bildhauer Alexander Deubl, den Maler Christian Muscheid und den Innenarchitekten und Designer Konstantin Landuris das Zwischennutzungsprojekt "super+TROPIKA" gestartet.

Als Mieter gesucht werden Bildende Künstler, Designer, Architekten und Filmemacher, aber auch für Theatergruppen, Lesezirkel, Malschulen sowie Start-ups mit ausgefallenen Ideen soll es Platz geben. "Wir sind da nicht dogmatisch, nur irgendwie kreativ sollen sie sein", sagt Konstantin Landuris, der die letzten Vorbereitungen trifft, als man ihn telefonisch erreicht.

Die Räume liegen auf drei Etagen verteilt in einem lichtdurchfluteten ehemaligen Bürogebäude in der Leopoldstraße 202a, das einst der Winterthur Versicherung gehörte. Die Probenräume befinden sich im Erdgeschoss. Der nun geschlossene Vertrag läuft über 15 Monate bis September 2022. Eine Verlängerung scheint, wie bei vielen Zwischennutzungsprojekten, aber nicht ausgeschlossen. Ab 270 Euro kalt pro Monat gibt es schon Ateliers. Das ist nicht super billig, aber doch bezahlbar. Bewerben kann man sich per Mail an tropika@superplusstudio.de oder über die Website www.superplusstudio.de.

100 neue Ateliers und neun Bandprobenräume stehen im neuen Atelierhaus "super+TROPIKA" zur Verfügung. (Foto: super+)

Gerade in den vergangenen Jahren haben immer mehr Immobilienentwickler und Investoren in großen Städten die Möglichkeit entdeckt, den mitunter jahrelangen und vor allem oft nur schwer planbaren Leerstand bis zum Beginn der Bauarbeiten mit künstlerischen Zwischennutzungsprojekten zu überbrücken. Das ist nicht immer altruistisch, denn nichts ist gefährdeter, von Vandalismus und Verfall bedroht zu werden, als baulicher Leerstand. Auch die Stadt hat zuletzt immer öfter derartige Lösungen genutzt, um Leben in die Bude zu bringen, so lange die Bauarbeiter noch nicht anrücken konnten. Und die Kreativen? Viele von ihnen sind froh, einerseits halbwegs bezahlbare Räume zu finden und im besten Fall zudem von der ebenfalls kreativen Nachbarschaft zu profitieren.

Die Betreiber des "super+TROPIKA" kennen sich mit künstlerischer Zwischennutzung mittlerweile bestens aus. Seit 2012 schwören Deubl, Muscheid und Landuris auf die Zusammenarbeit im Kollektiv. Mit dem Projekt "Der Flug des Phönix" wurden sie bekannt. Mit ihrer dynamischen Skulptur verzauberten sie beim Kunstarealfest 2015 erstmals die Betrachter. Im Jahr darauf stieg ihr Phönix in den nachtblauen Himmel über Paris. Und 2018 kämpfte er mit den Wetterwidrigkeiten über der tropischen Insel Mauritius im Indischen Ozean.

In Paris ließ das Künstlerkollektiv "super+" den "Flug des Phönix" in den Nachthimmel aufsteigen. (Foto: Kiki Nichols/super+)

Fast genau so lange setzen sie Zwischennutzungsprojekte um. Alles begann ganz klein in einer Fünfzigerjahre-Tankstelle in der Belgradstraße. Damals wurde auch der bleihaltige Name "super+" für das Künstlerkollektiv geboren. Danach entstanden in der Fraunhoferstraße sieben Ateliers auf Zeit. Ein Jahr später ging es in die Pappenheimstraße, wo es erst um 20, dann um 30 Ateliers ging. "Das waren vier Meter hohe Räume mit Stuckdecken", schwärmt Landuris. "Ein ehemaliges Kriegskrankenhaus war das, und irgendwann hat mir jemand erzählt, dass der helle und lichte Raum, in dem ich mein Atelier hatte, das ehemalige Leichenschauhaus war", erzählt er lachend.

Wieder ein Jahr später ging's dann in die Trachtenfabrik "Unholzer" in Moosach. Seit mehr als sechs Jahren residiert das Kollektiv nun zusammen mit fast 100 anderen Kreativen auf dem idyllisch gelegenen Fabrikgelände, wo 50 Ateliers vorhanden sind. "Ein kleines Kronjuwel, das nun leider abgerissen wird", bedauert Landuris. Zwischenzeitlich wurden noch acht Altbau-Studios in einer Künstlervilla am Nymphenburger Schlosskanal bespielt.

Gleichzeitig mit dem Startschuss für das "super+TROPIKA" mischt die Truppe auch in dem vom MUCA (Museum of Urban and Contemporary Art) betriebenen Kunstlabor im ehemaligen Gesundheitshaus in der Dachauer Straße mit. Und wenn sie am 1. August noch die sechs neu ausgebauten, luxuriösen Ateliers mit Küche, Foyer, Galerien und mehr als fünf Meter hohen Decken direkt im Schwabinger Tor und in Sichtachse zum "super+TROPIKA" vermietet haben, sind sie Herren über ein kleines Zwischennutzungsimperium von 200 Ateliers. Nicht schlecht für die drei von der Tankstelle.

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