München:Wohnungssuche, ein Kinderspiel

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Eine Wohnung in München zu finden, muss sich ungefähr wie ein Sechser im Lotto anfühlen. (Foto: dpa)

Wehe, man muss in München umziehen. Das fühlt sich an wie eine Mischung aus Reise nach Jerusalem und Mensch ärgere Dich nicht.

Glosse von Laura Kaufmann

In München zu leben, gleicht einer Runde Reise nach Jerusalem. Wer eine günstige Wohnung erwischt, bleibt dort sitzen, so lange er kann. Verbarrikadiert sich, baut Hochbetten für die Kinder und wartet, bis es wirklich nicht mehr anders geht. Bis er dann doch zum Aufstehen gezwungen wird, in eine neue Runde, durch veränderte Lebensumstände, Mieterhöhung oder Eigenbedarfskündigung. Dann gilt es, die Augen aufzuhalten und schnell zu sein. Wichtig ist es dann, feste und fürstlich bezahlte Arbeitsstellen zu haben und leicht auszusprechende Namen, aber daran lässt sich auf die Schnelle nicht viel ändern.

Die Suche nach freien Plätzen mag bisweilen enttäuschend, niederschmetternd und entwürdigend sein, bietet aber auch Vorteile. Beim Erkunden einer eventuell neuen Nachbarschaft lässt sich München aus immer neuen Perspektiven kennenlernen - auch solche Viertel, die auf einer Sightseeing-Tour eher nicht vorkommen. Für einige mag die Wohnungsbesichtigung die erste Gelegenheit für einen Besuch in Lochhausen oder Johanneskirchen sein. Und dann lernen sie: Johanneskirchen ist ja irgendwie sogar immer noch Bogenhausen.

Besonders viel lässt sich aber über die Menschen lernen. Wer vorab Schufa-Auskünfte, Stammbäume und Bluttests verlangt und bei der Besichtigung fragt, wie viel man denn maximal zu zahlen bereit sei, auf dem Wohnungsmarkt hätte sich ja viel getan, und diese hinterste Ecke von Giesing-Ramersdorf wäre ja nun wirklich hervorragend an die S-Bahn angebunden. Oder wer sich trotz freier Mieterwahl nicht von Gier leiten lässt, sondern von dem immerhin im Grundgesetz festgeschriebenen Satz: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."

Nach dem Kennenlernen sehr vieler Vermieter mit Variationen des immer ersten Charakters, nimmt die Reise nach Jerusalem Züge einer Partie Mensch ärgere dich nicht an. Setzt man dann aber die Unterschrift unter einen neuen Mietvertrag, fühlt sich das ungleich besser an, als ein Kinderspiel zu gewinnen - ungefähr so, wie sich ein Sechser im Lotto anfühlen muss.

© SZ vom 28.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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