Wachstumsprobleme auch im Würmtal:Grundstück gesucht

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Großzügig und grün war einmal: In Gräfelfing müssen andere Wohnformen erarbeitet werden. Selbst für Nachverdichtung ist wenig Platz. (Foto: Catherina Hess)

Eine Podiumsdiskussion in Gräfelfing dreht sich um die Frage, wie bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann.

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Wer bezahlbaren Wohnraum realisieren möchte, muss neue Wege einschlagen: Wohnkonzepte, die gemeinschaftliches Wohnen in den Mittelpunkt rücken, sind dabei ein Baustein, zudem muss Wohnungsbau in kommunaler Hand liegen. Das ist ein Fazit aus einer Podiumsveranstaltung, zu der das Bürgerforum Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing (IGG) ins Bürgerhaus eingeladen hatte. Experten gingen dabei mit Bürgern der Frage nach, wie bezahlbarer Wohnraum in Gräfelfing geschaffen werden kann.

Was heißt eigentlich "bezahlbar"? Dafür gibt es tatsächlich eine genaue Definition, sagte Christoph Maier vom Forum Baucultur, einem Netzwerk, das Bauherren berät, wie günstiger Wohnraum entstehen kann. Eine Miete, die bis zu 25 Prozent des Nettoeinkommens betrage, gelte als bezahlbar. Zum Vergleich: in München würden 50 bis 60 Prozent des Nettoeinkommens in die Miete fließen, der durchschnittliche Quadratmeterpreis habe 2018 bei 17 Euro gelegen. "München besteht praktisch nur noch aus Bestlagen".

Für Christoph Maier ist offensichtlich: Nur ein großer Anteil von öffentlichem Wohnungsbau kann preisdämpfend wirken. Die Stadt Wien mache das beispielhaft vor, durch einen großen Anteil an öffentlichem Wohnungsbau seien dort die Durchschnittsmieten auf acht Euro pro Quadratmeter gesunken. Einer Kommune wie Gräfelfing rät Maier, kein einziges Grundstück zu verkaufen und selbst zum Bauherren zu werden.

Bei der Gesprächsrunde im Bürgerhaus, zu der viele Besucher kamen, die nach eigenem Bekunden aktuell eine finanzierbare Wohnung suchen, wurde deutlich, dass das Grundstück der Schlüssel zur Lösung des Problems ist: Ist das Grundstück erschwinglich, lassen sich darauf neue, attraktive und günstige Wohnmodelle entwickeln - Ideen gibt es genügend.

Ein Trend geht in Richtung Wohnprojekte: Bewohner leben in kompakten Wohneinheiten - Maier spricht von "intelligenten Grundrissen", teilen sich aber viele Flächen, die man nicht ständig nutzt: etwa ein Gästezimmer, ein Arbeitszimmer oder einen Hobbykeller. Bei solchen Wohnprojekten sind die Bewohner eingebunden in ein soziales Netzwerk und wirken aktiv bei der Planung mit, erklärte Natalie Schaller von Stattbau München, einem Zusammenschluss aus Architekten, Soziologen und Stadtplanern, die Bürger bei der Umsetzung solcher Modelle beraten.

Wohnprojekte können in Form einer Baugemeinschaft realisiert werden, sofern Eigenkapital vorhanden ist. Auch ein Genossenschaftsmodell sei denkbar, wie auch eine Mietgemeinschaft, sagte Schaller. Die Genossenschaft habe den Vorteil, dass der Wohnraum langfristig dem Miet- und Immobilienmarkt entzogen sei. Die Bewohner hätten lebenslanges Wohnrecht. Um ein Wohnprojekt zu starten, müsse sich zunächst eine Gruppe von interessierten Bürger zusammenfinden. Zur Realisierung könnte die kommunale Wohnungsbaugesellschaft - in Gräfelfing ist das die Gemeindebau - Kooperationspartner werden. Die Beratungsinitiative Stattbau München weitet von Oktober an ihre Beratungstätigkeit auf den Landkreis München aus.

Wie gemeinschaftliches Wohnen in der Praxis aussehen kann, schilderte Uta Alexander von der Wohnbaugenossenschaft Wagnis, die bislang 500 Wohnungen in München in sechs verschiedenen Projekten geschaffen hat. Das Projekt, in dem sie selbst lebt, sei "ein Dorf in der Stadt". Es gebe viele Flächen und Orte zur Begegnung. Die Bewohner nutzen eine Sauna, einen Yogaraum, Musikübungsräume oder einen Kinder-Toberaum gemeinsam. Schrumpft die Familie, weil die Kinder ausziehen, können die Bewohner in eine kleinere Wohneinheit umziehen.

Für genossenschaftliche Bauprojekte sei allerdings viel Eigeninitiative gefragt. Jahre vor Baubeginn finde sich bereits eine Baugruppe zusammen, die das eigene Wohnkonzept plant. Doch wie bei allen Projekten ist auch bei einem Genossenschaftsbau das Grundstück der Knackpunkt: In Neuried gibt es seit Jahren eine Genossenschaft, die viele Ideen hat, nur kein Grundstück, um diese zu verwirklichen.

© SZ vom 04.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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