Immobilien in München:"Lieber schneller mehr Wohnungen als immer der perfekte Standard"

Lesezeit: 4 min

Wie schafft man neuen Wohnraum, um Mieten erträglich zu halten? Darum ging es in einer Diskussion der Reihe "SZ im Dialog". Hier ein Beispiel: ein Haus der Genossenschaft Wagnis im Prinz-Eugen-Park. (Foto: Stephan Rumpf)

Wie kann es gelingen, Mieten in der Stadt bezahlbar zu machen? Bürgermeisterin Dietl, FDP-Politiker Föst und Immobilienvertreter diskutieren bei einer SZ-Veranstaltung, was sich auf dem Wohnmarkt verändern muss.

Von Sebastian Krass

Um anschaulich zu machen, was aus ihrer Sicht ein wirklich großes Problem ist, nimmt Ariane Groß die Barrierefreiheit. "Brauchen wir wirklich in 100 Prozent der neuen Wohnungen Barrierefreiheit?", fragt sie. Dass die Antwort aus ihrer Sicht "nein" ist, muss Groß gar nicht aussprechen, das weiß jeder im Saal. Denn: "Das kostet ein Heidengeld." Natürlich würde die Genossenschaftsvertreterin Groß niemals in Zweifel ziehen, dass barrierefreie Wohnungen im Neubau enorm wichtig sind. Es geht ihr nur um den Anteil - und es geht ihr insgesamt um die Auflagen, die Bauherrinnen und Bauherren erfüllen müssen: "Ist das, was wir im Moment bauen, wirklich sinnvoll?"

Denn hohe Baukosten treiben natürlich in der Konsequenz auch die Mieten für Wohnungen in die Höhe. Und darum geht es in einer Gesprächsrunde der Reihe "SZ im Dialog" an diesem Montagabend. "Mieten in München. Wer soll das noch bezahlen?" lautet der Titel der Veranstaltung, die im Hochhaus des Süddeutschen Verlags stattfindet und von Ulrike Heidenreich und René Hofmann, Leiterin und Leiter des Ressorts München, Region und Bayern, moderiert wird. Eine Woche zuvor hat der Maklerverband IVD neue Zahlen zur Lage auf dem Münchner Mietmarkt vorgelegt: Demnach sind die Kosten für neu vermietete Bestandswohnungen binnen eines halben Jahres um 4,3 Prozent gestiegen, auf 19,50 Euro, im Neubau sogar um mehr als fünf Prozent auf 22,40 Euro.

Im Süddeutschen Verlag diskutierten FDP-Politiker Daniel Föst, Bürgermeisterin Verena Dietl, Rudolf Stürzer von Haus und Grund und Genossenschaftsvertreterin Ariane Groß (von links). (Foto: Stephan Rumpf)

Ariane Groß, Vorstandsmitglied der Genossenschaftlichen Immobilienagentur (Gima), vertritt in der Runde die Interessen gemeinwohlorientierter Wohnungsunternehmen. Sie richtet ihren Appell nach weniger Vorschriften vor allem an die Politik, an diesem Abend vertreten durch Münchens Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) und den FDP-Bundestagsabgeordneten Daniel Föst - die beide im Lauf des Abends noch den einen oder anderen Hinweis von Rudolf Stürzer, Chef des Eigentümerverbandes Haus und Grund München, entgegennehmen dürfen.

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Zügig neue Wohnungen zu bauen, darin ist sich die Runde weitgehend einig, sei ein gebotenes Mittel, um zumindest etwas Druck vom Mietmarkt zu nehmen. Und weil Faktoren wie Zinsen und Baukosten politisch kaum beeinflussbar sind, diskutiert man in der Immobilienszene tatsächlich zunehmend über die Auflagen am Bau. "Lieber schneller mehr Wohnungen haben als immer den perfekten Standard", gibt Bürgermeistern Dietl als Credo aus, sie ist auch Aufsichtsratsvorsitzende der städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG und Gewofag, die bald zur "Münchner Wohnen" fusionieren. Wenn sie dort von neuen Projektideen erfahre, berichtet Dietl, "dann sage ich immer: schnell beschließen und bauen".

Der Liberale Föst nimmt den Ball, den Ariane Groß ins Feld gerollt hat, gern auf und stellt die These in den Raum, vielleicht könne es reichen, in einem Neubauprojekt "erstmal" das Erdgeschoss und die zwei ersten Geschosse barrierefrei zu planen, "die Wohnung im achten Stock muss dann vielleicht nicht mehr barrierefrei sein". Er selbst führt noch an, dass wegen des Lärmschutzes in Deutschland die dicksten und somit klimaschädlichsten Geschossdecken gebaut würden und dass er gern die etwas liberaleren Brandschutzvorschriften aus Österreich übernehmen würde, "da gibt es genauso wenig Tote durch Feuer wie hier".

Die Gesprächsrunde der Reihe "SZ im Dialog" beschäftigte sich mit den Stellschrauben für günstigere Mieten in München. (Foto: Stephan Rumpf)

Aber wäre es dann nicht an ihm, seiner FDP und insgesamt der Ampel-Koalition in Berlin, an den Auflagen etwas zu ändern? Ja, da sei man schon dran, sagt Föst. Aber die ganzen Details würden nun einmal in 16 verschiedenen Bauordnungen der Bundesländer geregelt. Er hoffe sehr, dass die Bauministerkonferenz der Länder sich schnell auf ein paar gemeinsame Standards einigen könne. Und Föst denkt noch weiter: "Eine einheitliche Bauordnung, das wäre ein Traum."

"Ich bin kein Fan des Vorkaufsrechts"

Rudolf Stürzer von Haus und Grund lenkt den Blick etwas weg vom Neubau, der von 2017 bis 2022 durchschnittlich 7740 fertiggestellte Wohnungen erbracht hat - viele rechnen damit, dass die Zahl wegen der Immobilienkrise in den kommenden Jahren sinken wird. Neubauwohnungen auf dem freien Markt, argumentiert Stürzer, seien wegen der Grundstücks- und Baukosten so teuer, dass sie sowieso nur zu astronomischen Mieten angeboten werden würden. Von den insgesamt 830 000 Wohnungen in München sind laut Stürzer etwa 600 000 vermietet. Er zieht daraus den Schluss: "Wer Mieten bezahlbar halten will, muss auf den Bestand schauen." Und da beobachtet der Interessenvertreter von Vermieterinnen und Vermietern, dass seine Klientel "in heller Aufregung" sei.

Als Hauptgrund für die Verunsicherung sieht er bevorstehende Investitionen für die Sanierung von Heizungsanlagen. Eine schon länger bestehende - und wegen der in zehn Jahren vervierfachten Bodenpreise in München besonders virulente - Sorge ist laut Stürzer zudem die Erbschaftssteuer. Wer eine Immobilie erbe, sehe sich oft gezwungen, sie zu verkaufen, um die Steuer zu bezahlen. Solche Faktoren würden "kleine Vermieter mit moderaten Mieten aus dem Markt treiben", sagt Stürzer. An ihre Stelle träten dann gewerbliche Investoren, die nur auf Renditemaximierung aus seien.

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Die Erbschaftssteuer sieht auch der FDP-Abgeordnete Föst als "Problem". Seine Partei habe in Berlin versucht, höhere Freibeträge durchzusetzen, wenn Wohnungen günstig vermietet seien, "aber wir haben dafür noch keine politische Mehrheit".

Die Frage, bei wem Wohnhäuser landen, wenn sie zum Verkauf stehen, ist wiederum eine, die die SPD-Politikerin Dietl umtreibt. Es geht ihr dabei um das Vorkaufsrecht in milieugeschützten Gebieten, das vom Bundesverwaltungsgericht weitgehend ausgehebelt worden ist. SPD und Grüne wollen das per Gesetzesänderung wieder ermöglichen, die FDP bremst. "Ich bin kein Fan des Vorkaufsrechts", erwidert Föst, "es ist sehr teuer, und mir fehlt die soziale Steuerung." Von solchen Ankäufen durch die Stadt und den dann gesicherten günstigen Mieten profitiere, "wer zufällig in der richtigen Wohnung wohnt, egal, wie viel er verdient". "Statt Geld im Vorkaufsrecht zu versenken", solle die Stadt lieber mehr neu bauen, sagt Föst. Darauf erwidert Dietl, die Kommunen könnten selbst am besten entscheiden, wofür sie ihr Geld ausgeben, deshalb solle der Bund ihnen das Instrument des Vorkaufsrechts in der Form, wie es war, zurückgeben.

In der Debatte um die Wohnkosten geht es stets um viele Stellschrauben, für die mal Stadt, mal Land, mal Bund und manchmal die EU zuständig sind, das macht die Lösungen so schwierig. Aber Ariane Groß von der Gima, deren Mitglieder immerhin etwa 40 000 Wohnungen vermieten, verbreitet trotz ihrer Kritik an Auflagen und trotz der schwierigen Bedingungen auf dem Immobilienmarkt auch Optimismus: Die in den vergangenen Monaten deutlich aufgestockten Fördermittel der Stadt und auch des Freistaats "bringen uns in Regionen, bei denen wir wieder ins Bauen kommen".

Sie verweist auf einen kürzlich veröffentlichten "Mietenatlas", in dem Wohnungsbestände von Gima-Mitgliedern, aber auch der städtischen GWG und Gewofag erfasst sind. In diesen 150 000 erfassten Wohnungen liegt die Durchschnittsmiete bei knapp acht Euro. Mehr Mietverträge in diesen Regionen, darin ist sich die Runde einig, kann München gut gebrauchen.

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