Start-ups in München:Eine Software soll die Bauindustrie revolutionieren

Lesezeit: 3 min

Das Münchner Start-up Capmo will die Baubranche mit Hilfe von Tablet, Smartphone und Cloud umkrempeln. (Foto: Capmo GmbH)

Kaum eine Branche in Europa ist so wenig digital wie der Bau. Das Münchner Start-up Capmo will das ändern und so das Bauen günstiger, schneller und effizienter machen.

Von Catherine Hoffmann

Möglichkeiten gibt es überall, auch in traditionellen Branchen. Man muss sie nur erkennen. So wie Florian Biller und Sebastian Schlecht, die mit ihrer Software den Bau revolutionieren wollen. "Wir helfen, dass Bauprojekte in der Zeit fertig werden, weniger kosten, effizienter gemacht werden", sagt Biller. Dazu haben Biller und Schlecht 2018 das Münchner Start-up Capmo gegründet.

Kennengelernt haben sich die beiden während des Studiums am Center for Digital Technology and Management (CDTM). Schlecht kommt aus dem Bayerischen Wald, er ist Elektrotechniker. Seit er ein kleines Kind war, liebt er das Programmieren. Biller ist in München aufgewachsen, hat BWL studiert. Sein Opa hat im Süden der Stadt in der Nachkriegszeit ein kleines Bauunternehmen gegründet.

"Sebastian und ich wollten unbedingt gründen und wir wollten eine ganze Branche verändern", sagt Biller. "Da lag der Bau nahe." Nicht wegen des Familienbetriebs, der längst verkauft wurde. Sondern weil Capmo mit dem Bau eine Industrie angreifen konnte, die kaum digitalisiert war.

Die Art und Weise wie gebaut wird, hat sich seit den 60er Jahren kaum verändert

Obwohl Bauen heute hochkomplex sei und in modernen Gebäuden viel mehr Technik stecke als früher, habe sich die Art und Weise, wie gebaut wird, kaum verändert. "Es funktioniert zum Großteil noch so wie in den 60er-Jahren, als mein Großvater noch aktiv war", sagt Biller. Der Bau sei nach Jagen und Fischen die am wenigsten digitale Branche in ganz Europa. Sogar das Gesundheitswesen und die öffentliche Verwaltung seien digitaler.

Hinzu kommt: Der Bau ist eine riesige Wirtschaftsbranche, er hat einen Anteil von gut zehn Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Millionen von Menschen sind hier direkt oder indirekt beschäftigt. Und es ist einer der Wirtschaftszweige, der besonders viel CO₂ emittiert, was sich ändern muss. Damit lag es nahe, diese klassische Branche mit Hilfe von Smartphone, Internet und Cloud zu modernisieren.

Florian Biller, Gründer des Start-ups Capmo, hat in der Baufirma seines Großvaters gesehen, wie altmodisch die Branche arbeitet. (Foto: Robert Haas)

Aber wo anfangen? Bauen funktioniert nach einem einfachen Prinzip: Ein Architekt oder Ingenieur gibt eine Lösung vor, ein Bauunternehmer setzt sie um. Ein großes Problem dabei sei, "dass die Leute auf der Baustelle oft nicht nach den aktuellen Plänen arbeiten", sagt Biller. Jemand druckt einen Plan aus, hängt ihn auf die Baustelle. Der Plan wird überarbeitet, aber keiner fährt raus zum Bauplatz und erneuert den Aushang. "Dann steht eine Wand halt mal an der falschen Stelle", sagt Biller. "Muss das zurückgebaut werden, verzögert sich das ganze Projekt und man kann vielleicht statt im November erst im Dezember einziehen."

Welche Vorteile die Digitalisierung am Bau hat

Die Vorteil der Digitalisierung waren offenkundig. "Also haben wir losgelegt, um die Leute, die planen, und die, die auf der Baustelle den Plan ausführen, zusammenzubringen", sagt Biller. Ein halbes Jahr später konnten die Gründer die ersten Investoren von ihrer Idee überzeugen; mittlerweile zählt mit Bessemer Venture eine US-amerikanische Gesellschaft zu den Geldgebern. "Uns war bewusst: Wenn wir eine so große Branche in die digitale Zukunft holen wollen, geht das nicht über Nacht - und auch nicht mit kleinem Budget", sagt Biller.

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Man kann nicht sagen, dass die jungen Gründer von den Bauunternehmern mit offenen Armen empfangen wurden. Vielmehr schlug ihnen Ablehnung entgegen: "Wir haben das schon immer so gemacht" oder "Seit 1000 Jahren wird gebaut und seit 1000 Jahren funktioniert das. Warum sollen wir das jetzt auf einmal anders machen?" Deshalb sei es wichtig gewesen, potentielle Kundschaft zu überzeugen, dass die Technologie so schnell und einfach zu bedienen ist, dass sie keine Angst davor haben müsse. "Das ist der Schlüssel zum Erfolg", sagt Biller. "Wenn's mit unserer Software länger dauert, als ein Fax zu schreiben, wird weiter ein Fax geschrieben." Es gebe sogar noch immer Leute, die mit dem Diktiergerät über eine Baustelle laufen und das Gesprochene anschließend abtippen.

Mit Capmo wird das überflüssig. Man spricht einfach ins Smartphone, das dokumentiert das Gesagte, schreibt einen Bericht und informiert alle, die es wissen sollten - und zwar automatisch. "Das erleichtert den Arbeitsalltag enorm", sagt Biller. Die Software ist für General- oder Bauunternehmer gedacht, die Projekte häufig von Anfang bis Ende begleiten. Sie hilft, das Projektmanagement zu vereinfachen und den Überblick zu behalten. Aber auch Architekten, Ingenieurbüros und größere Handwerksbetriebe nutzen die Capmo-Software.

Die Komplexität am Bau wird gerne unterschätzt: Wird ein Mehrfamilienhaus mit 20 Wohnungen gebaut, sind daran 20, 30, 40, manchmal sogar 50 verschiedene Firmen beteiligt. Ihre Koordination ist anspruchsvoll, und sie wird noch schwieriger, wenn Pannen passieren. Biller weiß das: "Gut geplant waren schon viele Projekte. Bei der Umsetzung hapert es aber öfter mal. Also haben wir die Kommunikation verbessert."

Tatort Olympiahalle: Hier ohne Publikum (Archivbild). (Foto: Capmo GmbH)

Eines der ersten Vorhaben war ein Gymnasium; heute ist die Software so gut, dass mit ihr bereits Uni-Kliniken geplant und realisiert wurden. Zu den prominenten Projekten in München zählen der Umbau der Alten Akademie in der Fußgängerzone und das Werk12 im Werksviertel. Ein Kunde von Capmo sanierte mit Hilfe der Software die Elektrik der Olympiahalle, ein anderer ist am U-Bahn-Bau Sendlinger Tor beteiligt.

Das junge Unternehmen ist während der Pandemie von 20 auf knapp 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewachsen. In ein paar Wochen zieht die Firma von der Sonnenstraße in deutlich größere Räume im neuen Bürokomplex Heimeran im Westend. "Bau ist auf den ersten Blick nicht sexy, bei genaueren Hinsehen aber doch", sagt Biller. "Unsere Ambition ist es, den europäischen Bau zu revolutionieren."

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