Sanierung? Darunter hat man sich etwas anderes vorgestellt, als David Chipperfield erste Pläne für die Renovierung des Hauses der Kunst in München vorstellte. Jetzt ist er da, der Sanierer, aber es ist kein Bauleiter, der das kaputte Dach oder die porösen Leitungen richten würde. Es ist der Unternehmensberater Stefan Gros, der die maroden Finanzen des Hauses sortieren soll.
Es ist viel passiert in diesem einen Jahr: Im Frühjahr wurde die Schieflage der Finanzen des Hauses bekannt. Der Bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) hatte bereits ein paar Monate zuvor den Verfassungsschutz ins Haus geschickt, weil der Verdacht bestand, es könne von Scientology unterwandert sein. In diesem Zusammenhang trennte sich die Geschäftsführung von ihrem Personalverwalter. Der hatte 22 Jahre lang im Haus gearbeitet; womöglich scheinselbständig, das prüfen derzeit die Gerichte.
Die Entwürfe Chipperfields, der als Architekt unter anderem die Ruine des Neuen Museums in Berlin gerettet und dabei die Narben des kriegsversehrten Baukörpers erhalten hat, stießen bei einem Teil der Münchner, darunter der Chef des NS-Dokumentationszentrums, Winfried Nerdinger, auf erbitterten Widerstand. Der Grund: Chipperfield will das Bauwerk aus der NS-Zeit wieder freilegen und es durch das Fällen von Bäumen, die jetzt dicht vor der Fassade stehen, wieder an den Stadtkontext anschließen.
Auf Druck der Opposition im Landtag holte das Ministerium nun Gros zu Hilfe. Er hat schon Großunternehmen, von Anlagenbauer bis zur Verpackungsindustrie, beraten, Börsengänge vorbereitet, Konkurse abgewendet. Mit dem Kunstbetrieb hatte der Betriebswirt bisher nichts zu tun. Seit Anfang Oktober ist er dem Direktor des Hauses der Kunst, Okwui Enwezor, als kaufmännischer Direktor gleichgestellt. Dem bisherigen kaufmännischen Leiter, Graf Marco von Matuschka, wurde er vor die Nase gesetzt.
Offiziell formuliertes Ziel ist es, das Haus der Kunst firm zu machen für "Renovate/Innovate". So haben Enwezor und Chipperfield die Umbaupläne überschrieben. Spaenle spricht seit den Unbilden des Frühjahrs noch lieber vom Vorhaben "Haus der Kunst 2.0", wohl in Anspielung darauf, dass dem Betrieb ein Neustart guttäte. Es ist damit zu rechnen, dass schon bis Jahresende personelle Konsequenzen gezogen werden. Wen es treffen wird und wann die Renovierungs- und Erneuerungsphase konkret wird, beschäftigt derzeit auch die Mitarbeiter des Hauses stark.
Gerüchte verdichten sich, dass der monumentale neoklassizistische Bau, in den Dreißigerjahren konzipiert von Hitlers Architekt Paul Ludwig Troost, für die Zeit der Umbaumaßnahmen geschlossen werden soll. Weil das wuchtige, 175 Meter lange Gebäude zwei achsensymmetrische Flügel hat, erschien eine Teilschließung durchaus realistisch. Doch im August eröffnete Okwui Enwezor bei einer eigens einberufenen Versammlung seinen Mitarbeitern, das Haus werde komplett schließen müssen. Alles andere sei zu teuer.
Das Kultusministerium dementiert, dass eine solche Entscheidung bereits gefallen sei. Erst müssten die Pläne für den Umbau konkretisiert, die vorbereitenden Untersuchungen der Architekten und eine Machbarkeitsstudie ausgewertet werden. Deshalb stehe auch noch kein Terminrahmen fest. Gleichzeitig betont Spaenles Sprecher jedoch: "Es zeugt von Fürsorgepflicht, dass die Geschäftsleitung des Hauses der Kunst bereits im Vorfeld auf mögliche Optionen als Folgen der geplanten Generalsanierung hinweist."
Wenn keine Ausweichstätten für den Ausstellungsbetrieb des Hauses gefunden oder sie überhaupt nicht gesucht werden, bedeutet das nicht nur, dass Mitarbeiter um ihren Arbeitsplatz bangen müssen. Für München und seinen eher mühsam erarbeiteten Ruf als wichtige Stadt für die zeitgenössische Kunst würde ein jahrelanger Totalausfall des Hauses der Kunst einen Rückschlag bedeuten. "Sieht man einmal ab vom Museum Brandhorst, dessen Ausstellungen ebenfalls internationale Aufmerksamkeit auf sich ziehen, hat nichts hier so eine Strahlkraft wie das Haus der Kunst", sagt Angelika Nollert.