Wertstoffhof:Das große Malmen

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Echte Handarbeit ist an den orangefarbenen Containern gefragt. (Foto: Florian Peljak)

Vom Kugelstoßen mit Röhrenfernsehern bis zum Abschied von der Familienkommode: Warum der Besuch auf dem Wertstoffhof immer für spannende Momente gut ist.

Glosse von Christian Mayer

Auf dem Platz der Vergänglichkeit in Sendling sieht man viele Menschen, die sich eher schleppend fortbewegen, sie scheinen unter den Altlasten ihres Lebens schier zusammenzubrechen. Manche keuchen und stöhnen, dann entledigen sie sich ihrer ausrangierten Wasserkocher, ihrer Badezimmerspiegel und Fernseher mit einem lauten Scheppern. Andere balancieren halbe Einbauküchen oder Parsdorfer Sofalandschaften eigenhändig über das Gelände, um sie mit lässigem Schwung in den Container zu werfen. Man sieht sofort, wer auf dem Wertstoffhof körperliche Arbeit gewohnt ist und wer nicht.

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Ich selbst halte es, aus Erfahrung nahezu klug geworden, inzwischen mehr mit dem Dehnen und Strecken als mit dem Heben und Schmeißen. Und dann noch der Tennisarm und die stets launische Achillessehne! Sperrmüll-Akrobatik verbietet sich seit dem letzten Orthopädenbesuch, zuletzt scheiterte auch das Vorhaben, das Ungetüm einer seit Generationen in der Familie vererbten Kommode vom ersten Stock unserer Harlachinger Wohnung ins Erdgeschoss zu hieven, trotz der kräftigen Mithilfe engster Familienmitglieder ging da gar nichts. Jetzt steht das schreckliche Trumm wieder im hintersten Eck des Kinderzimmers, bis irgendein gnädiges Entrümpelungsteam sich unserer erbarmt.

Ungeliebtes wegwerfen - oder im Krisenwinter verfeuern?

Erkenntnistheoretisch ist der Versuch, zu Hause auszumisten, hochinteressant: Wann sind die Dinge dermaßen aus dem Ruder gelaufen? Haben wir all diesen Schrott wirklich selbst angeschafft und zu welchem Zweck noch mal? Eigentlich müsste man auf dem Wertstoffhof Sendling öffentlich Abbitte leisten, im Chor mit all den anderen Konsumsündern, die an manchen Tagen bis zur Tierparkbrücke in der Schlange stehen. Oder sollten wir die ungeliebten Gegenstände nicht besser doch noch zu Hause horten, um sie im Krisenwinter 2022/23 notfalls in einer großen Metalltonne zu verfeuern?

Aber dann ist es schon eine große Erleichterung, wenn man es auf die Laderampe geschafft hat, mit dem Umzugskarton in beiden Armen. Dort unten im Container geht das große Malmen weiter, also weg mit der CD-Sammlung, für die man mal ein Vermögen gezahlt hat, CDs will heute wirklich keiner mehr hören, so wenig wie die Tochter die Französisch-Schulhefte vom vergangenen Schuljahr wiedersehen möchte, die jetzt reif fürs Altpapier sind.

Nach der letzten Fahrt zum Wertstoffhof für diesen Herbst kommen einem zu Hause finstere Gedanken: Waren das womöglich die neuen Hefte und Bücher für das neue Schuljahr in der 8c, nach denen schon verzweifelt gesucht wird? Wenn man jetzt im Aufräumwahn die falsche Kiste entsorgt hat, kann man einpacken. Aber dieses Mal nicht nur für den Sperrmüll.

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