Schwabing:Wedekindplatz soll zur "Sommerstraße" werden

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Schwabinger Freiluftspaß: Eine Szene vom Juli 2019 zeigt, dass der Wedekindplatz schon in der Vor-Corona-Zeit ein beliebter Ort war, um dort in geselliger Runde die Abendstunden zu verbringen. In den vergangenen Wochen hinterließen die Feiernden jedoch allerhand Müll und Körperausscheidungen. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Ort hat sich zu einer Partyzone gemausert - mit unangenehmen Begleiterscheinungen wie am Gärtnerplatz. Nun will der Bezirksausschuss gegensteuern.

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Viele Jahre war der Wedekindplatz das hässliche Entlein unter den Schwabinger Plätzen. Obwohl im Herzen des mit vielen Kneipen bestückten Viertels gelegen, mochte kaum jemand auf dem öden Zwickel zwischen Feilitzsch-, Occam- und Markstraße verweilen - nun ist die einstige Ödnis ein Erlebnis: Vor Jahren wurde der Platz einer Schönheitskur unterzogen, ein einheitlicher Pflasterbelag auf Geh- und Fahrbahnen bereitete den Boden für einen immer beliebter werdenden Treffpunkt - der nun mit den gelockerten Corona-Beschränkungen allerdings auf gutem Weg ist, als Partyzone dem Gärtnerplatz Konkurrenz zu machen.

Immer mehr Anwohner beschweren sich über Massen an Feiernden, die auf und rund um den Platz jede Menge Müll hinterlassen und sich an den Fassaden und Hauseingängen erleichtern. Es stinke derart nach Urin und Erbrochenem, berichtet jetzt ein Schwabinger in einer Eingabe dem örtlichen Bezirksausschuss, dass eine Familie im ersten Stock seines Hauses ihren Balkon nicht mehr nutzen könne.

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Die lokale Politik haben die Beschwerden über das Getümmel aufhorchen lassen. "Ich glaube, da muss etwas passieren", sagte SPD-Fraktionssprecher Lars Mentrup jetzt in der BA-Sitzung. Das glaubt auch die Mehrheit seiner Kolleginnen und Kollegen - allerdings wollen sie den Freiluft-Hotspot nicht begrenzen, wie sich mancher Anwohner das wünschen mag, im Gegenteil. Per überfraktionellem Antrag macht sich der Bezirksausschuss dafür stark, den Wedekindplatz und den Abschnitt der Occamstraße bis zur Haimhauserstraße "schnellstmöglich" in das Sommerstraßen-Programm aufnehmen, also das Areal bis zum Herbst 2020 zum temporär verkehrsberuhigten Bereich zu erklären. Zudem soll die Verwaltung prüfen, ob das Stück der Feilitzschstraße zwischen Sieges-, Markt- und Haimhauserstraße zusätzlich zur temporären Fußgängerzone gemacht werden kann. "Das könnte die Situation entspannen, dann verteilen sich die Leute", formulierte Grünen-Fraktionssprecherin Nicole Kerstein die Wunschvorstellung des Gremiums.

Die Ausweitung der Feierzone könnte rasch erfolgen, schon bald städtische Mitarbeiter anrücken und "nicht verrückbare Pflanzengefäße" platzieren, um Autos umzuleiten. Denn so beschreibt das Kreisverwaltungsreferat (KVR) das Vorgehen in einem Beschluss zu den "saisonalen Stadträumen", den der Stadtrat vergangene Woche gefasst hat. Wörtlich ist von "einer zügigen Umsetzung" die Rede. Es geht darum, ausgewählte Straßenzüge über die Sommermonate für Autos schwer passierbar zu machen oder gleich ganz zu sperren, damit sie Fußgängern als Aufenthalts- und Bummelareal zur Verfügung stehen. Das Konzept wurde 2019 etwa in Giesing ausprobiert, nun erhält es durch die Pandemie zusätzlichen Schub. "Seitdem die Maßnahmen zur Einschränkung des Corona-Virus gelockert werden, zeigt sich der Bedarf nach großflächigeren beziehungsweise nach einer größeren Anzahl an wohnungsnahen Spiel- und Bewegungsflächen immer deutlicher", schreibt das KVR in der Vorlage für die Stadträte.

Zu viele temporär verkehrsberuhigte Bereiche sieht die Behörde aber nicht als sinnvoll an, stadtweit seien höchstens 15 Örtlichkeiten angemessen, vier stehen bereits fest. Ob der Wedekindplatz aufgenommen wird, ist offen, der BA hat sich jetzt quasi offiziell dafür beworben. Das Gremium sieht dabei ein Dutzend Kriterien einer städtischen Checkliste erfüllt, etwa, dass der betreffende Bereich keine Hauptstraße ist und nicht von Tram und ÖPNV-Bussen frequentiert wird. Entsprechend den Vorgaben wurden noch in der Sitzung die Emissäre für den Ortstermin mit Behörden und Polizei bestimmt.

Gleichwohl ist den Politikern das Ungemach der Anwohner wohl bewusst - und sie wollen alle Register gezogen sehen, um die Belästigungen in Grenzen zu halten. "Besseres Abfall-Management" etwa, wie es in der Sitzung hieß, etwa mit größeren Mülleimern, dazu Lösungen für die dringenden Bedürfnisse der Feiernden, zum Beispiel, indem die Wirte zur Teilnahme am Programm "Nette Toilette" animiert werden. Ein Dixi-Klo, so war zu vernehmen, will das Gremium nicht auf dem Platz sehen - dafür die Mitarbeiter von der städtischen Schlichtungsstelle Akim (Allparteiliches Konfliktmanagement). Deren Kommen steht unterdessen bereits fest: Auch wenn der Wedekindplatz derzeit noch ein Sommerstraßen-Aspirant sein mag, Akim nennt ihn schon jetzt in einem Atemzug mit dem Partybrennpunkt Gärtnerplatz. Einer Mitteilung zufolge zählt er jetzt, wie eben auch der Gärtnerplatz, zu den "ausgewählten Feierorten", wo die Akim-Mitarbeiter in den Nächten auf Samstag und Sonntag bis Ende September standardmäßig Präsenz zeigen werden.

© SZ vom 23.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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