Naturschutz:Kein Gutes Jahr für den Wald

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Die Wälder in der Stadt und rundherum sind immer stärker bedroht. Einige Baumarten werden bald verschwunden sein, befürchten Experten. Der Klimawandel ist nur eine von vielen Ursachen.

Von Thomas Anlauf

Das von Käfern und Schneebruch betroffene Holz am Taubenberg musste mittels Harvester herausgeholt werden. (Foto: Florian Peljak)

Es war kein gutes Jahr für den Wald, schon wieder nicht. Erst der Supersommer 2018, der die Wälder rund um München in Hitze- und Trockenstress versetzte. Dann kam im vergangenen Winter zu viel schwerer Schnee. Die Folge: Tausende Bäume knickten wie Streichhölzer um. Für den Borkenkäfer waren die gebrochenen Bäume ein gefundenes Fressen. Sie schwärmten im Frühjahr millionenfach aus. Die Förster kamen kaum noch hinterher, die befallenen Fichten aus dem Wald zu schaffen. Und zum Ende des Jahres fegte auch noch ein mächtiger Föhnsturm übers Land. Im Raum Weilheim und Garmisch brachen unzählige Fichten, Buchen und Tannen. "Es war schon ein extremes Jahr", sagt Rudolf Nützel. Der Geschäftsführer des Bund Naturschutz in München kennt sich mit Bäumen bestens aus. Der Forstwirt sieht regelmäßig nach den Wäldern in und um München. Was er sieht, stimmt ihn nachdenklich. "Was ich vor 35 Jahren an der Universität gelernt habe, funktioniert nicht mehr", sagt er. Die Klimakrise rafft die Wälder dahin.

Baumexperte Rudolf Nützel ist hauptamtlich Geschäftsführer beim Bund Naturschutz in München. (Foto: Robert Haas)

Als Nützel Anfang 1990 seinen ersten Job als Forstwirt antrat, war gerade der Orkan "Wiebke" über München und das Alpenvorland hinweggezogen. Der Naturschützer hatte damals sein Einsatzgebiet in Feldafing am Starnberger See. "Da lagen alle Bäume kreuz und quer, wie Mikados", erinnert er sich. Die verheerenden Folgen - die Schäden gingen in die Milliarden - ließ die Forstwirtschaft umdenken. Bis dahin hatten die Waldbauern, aber auch die staatlichen und kommunalen Förster, auf die schnell wachsende, aber flach wurzelnde Fichte gesetzt. Drei Jahrzehnte ist Wiebke nun her. "Der Jahrhundertsturm war der Anlass zu sagen: Wir müssen Mischwälder schaffen", sagt Nützel.

Darum bemühen sich nun die Staatsforsten ebenso wie die Münchner Forstverwaltung. Die Münchner Förster haben in den vergangenen Jahren 90 Prozent Laubbäume und nur noch zehn Prozent Nadelbäume gepflanzt. Doch durch den Klimawandel sind zunehmend auch Buche, Eiche und vor allem die Esche bedroht. Die Esche wird nach Ansicht der Experten bereits in wenigen Jahren im Raum München so gut wie verschwunden sein. Im vergangenen Winter wurden in der Allacher Lohe fast alle Eschen gefällt, weil sie so schwer vom Eschentriebsterben befallen waren, dass sie aus dem 150 Hektar großen Lohwald entfernt werden mussten. Verblüfft waren die Münchner Baumexperten, dass in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche Kiefern im Stadtgebiet abstarben. Schuld war nicht unbedingt die anhaltende Trockenheit 2018 und auch teilweise 2019, sondern die teilweise extrem hohen Temperaturen von mehr als 35 Grad Celsius. Diese Erkenntnis sei ziemlich neu, sagt Nützel: "Die Kiefer kommt zwar gut mit Trockenheit, aber nicht mit Hitze klar."

Auch die Überlegung der Forstwissenschaftler, statt die von Borkenkäfern geplagten Fichten nun vor allem Laubbäume in die Wälder rund um München zu bringen, ist einer Unsicherheit gewichen. Die Folgen der bereits deutlich spürbaren Klimakrise "packen einige Baumarten nicht mehr", so Nützel. Man setze seit einigen Jahren vermehrt auf Buche in den heimischen Wäldern, allerdings ist nun aus Nordbayern ein Pilz auf dem Vormarsch nach Süden, der Buchen massiv schädigt - ebenso die Rußrindenkrankheit, die die in München häufig vorkommenden Ahornbäume angreifen könnte. Auch die Eiche leide mittlerweile, vor allem unter Stickoxiden in der Luft. Mittlerweile experimentieren unter anderem die Staatsforste mit der Libanon-Zeder, andere Forstbetriebe versuchen es mit Bäumen vom Balkan, die extremer Hitze, aber auch Kälte und Trockenheit trotzen können. "Aber man ist viel am Rätseln, was eigentlich funktioniert", sagt Nützel.

Als ob die sich ausbreitenden Krankheiten nicht schon genügten, sind in jüngster Zeit auch wieder ganze Waldabschnitte im Münchner Grüngürtel bedroht. Allein im Würmtal und im Landkreis Starnberg gibt es mehrere Bauvorhaben und geplante Rodungsgebiete. Mal ist es der Kiesabbau, dann geplante Gewerbegebiete wie bei Gauting und bei Schorn nahe dem Autobahndreieck Starnberg. Die Befürworter der Rodungen argumentieren, der Fichtenwald dort sei ohnehin schon geschädigt und es gebe an anderer Stelle Nachpflanzungen. Doch das will Naturschützer Nützel nicht gelten lassen. Denn dort, wo seit Jahrtausenden Wälder wachsen, sei der Boden für die Nachpflanzung von Laubbäumen viel besser als auf etwaigen Ackerflächen. Angesichts des Klimawandels sagt Nützel: "Wir brauchen deutlich mehr Wälder." Doch auch das kommende Jahr wird wohl kein gutes werden für die Wälder im Raum München.

© SZ vom 30.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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