Das Holzlager am Waldrand bei Eltmann quillt über. Die Hackschnitzelreste von kranken Bäumen, die keiner brauchen kann, weil man im Hochsommer nicht heizen muss, stapeln sich weit über das Schutzdach hinaus. Am anderen Straßenrand stehen vier Buchen und sehen aus, als seien sie vor Kummer über diesen Anblick verendet. "Die müssen raus, schon wegen der Wegsicherung", sagt Christian Bartsch. Eine Erschütterung, dann können die dürren Äste herunterfallen. Viel zu gefährlich. Bartsch ist seit 15 Jahren Förster hier in Unterfranken, auch wenn er wirkt, als wäre er vor dieser Zeit erst eingeschult worden. Was immer ihn jung gehalten hat, die Waldidylle kann es nicht gewesen sein. "Forsthaus Falkenau ist vorbei", sagt Bartsch. "Wir sind nur noch Katastrophenmanager."
Katastrophe - ohne dieses Wort kommt derzeit kaum jemand aus, der mit dem Wald zu tun hat. Und wenn man mit Bartsch durch den Buchenmischwald in Nordbayern geht, kann man das verstehen. Schon von Weitem sieht man in jedem Hang braune Flecken. Die von zwei trockenen Jahren geschwächten Fichten sind leichte Opfer für Heerscharen von Borkenkäfern. Aber das ist noch das kleinste Problem. Schließlich sind Fichten in den Tieflagen gar nicht heimisch, schon gar nicht in Monokultur. Sie wurden nur jahrhundertelang als schnell wachsender Wirtschaftsbaum gepflanzt. Seit Jahrzehnten sind Förster dabei, den Wald umzubauen, hin zu mehr Baumarten.
Aber in diesem annus horribilis sterben nicht nur die Fichten hektarweise, sondern auch die Kiefern. Erstmals sind sogar großflächig die Buchen betroffen, eine jener heimischen Baumarten also, die den deutschen Wald fit für die Zukunft machen sollten. Und unter den Buchen sind es nicht nur die jungen, sondern auch die großen, alten Bäume, deren Kronen so wichtig für das Schattendach im Wald sind. Der Bund Deutscher Forstleute hat bereits den Klimanotstand ausgerufen, weit mehr als 100 Millionen Altbäume seien abgestorben. Mehr als 100 000 Hektar Wald sind durch Stürme, Dürre und Schädlinge zerstört, etwa die Fläche von Rügen.
Das ist nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein wirtschaftliches und ein logistisches Problem. Nur rund ein Drittel des Waldes in Deutschland gehört Bund oder Ländern. Fast die Hälfte ist Privatbesitz, ein weiteres Fünftel gehört Kommunen, Universitäten und anderen Körperschaften. Viele dieser Eigentümer sind auf Einnahmen angewiesen oder können zumindest nicht dauerhaft draufzahlen.
Darauf aber läuft es hinaus, wenn man allein wegen der Pflicht, die Zugänge sicher zu halten, unzählige trockene Bäume aufwendig fällen muss. Der Wald ist auch ein wichtiges Erholungsgebiet, öffentliche Wege müssen betretbar bleiben, ohne dass Besucher von herabfallenden Ästen erschlagen werden. Hinzu kommen all jene Bäume, die von Schädlingen oder Pilzen befallen sind, weil sie sich im Trockenheits- oder Hitzestress nicht mehr wehren können. Binnen sechs Wochen muss eine Borkenkäfer-Fichte eigentlich den Wald verlassen haben, sonst schwärmt die nächste Generation aus. Aber in vielen Regionen kommen die Unternehmen nicht mehr hinterher, die das Holz transportieren und verarbeiten. Die Lager sind voll, die Sägewerke auch; und ohnehin ist der Holzpreis im Keller, weil aus ganz Europa riesige Mengen Schadholz kommen, das niemand haben will. Und dann muss man noch nachpflanzen, auch das kostet Geld.
Darum rufen jetzt alle nach Unterstützung, schließlich ist der Wald ökologisch wichtig und bindet viel vom Treibhausgas CO₂. Naturschützer, aber auch die fünf Landesforstminister der Union, fordern nun einen Masterplan und Hilfen von mehr als einer Milliarde Euro für den Waldumbau. Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) will im September einen nationalen Waldgipfel einberufen.