München:Verwelkte Blütenträume

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Weil die Mieter der Planegger Senioren-Wohnanlage unter der Dürftigkeit der Außenanlagen litten, pflanzten sie selbst Büsche und griffen zum Gartenschlauch. Nun sollen sie alles wieder rausreißen

Von Annette Jäger

Rhododendren, Schmetterlingsbäume und auch noch die Rosen - das brachte das Fass zum Überlaufen. Bei einigen Mietern der Seniorenwohnungen an der Joseph-Beyerl-Straße in Planegg hat sich großer Frust aufgestaut. Seit sie im August 2018 in die neuen Wohnungen eingezogen sind, haben sie immer wieder Baumängel festgestellt, sie monieren Fehlplanungen, vor allem aber kritisieren sie die dürftige Bepflanzung der Grünflächen. Im vergangenen Sommer sind sie kurzerhand selbst aktiv geworden, haben auf eigene Kosten Büsche und Blumen gepflanzt und ein kleines blühendes Idyll geschaffen. Jetzt kam Post von der Baugesellschaft München-Land (BML), der Eigentümerin der Wohnungen: Bis zum 30. November sind alle privaten Pflanzungen, die nicht zum direkten Umgriff der Terrassen gehören, wieder zu entfernen.

Die Mieter sind fassungslos. Sie hätten hunderte Euro in die Bepflanzung investiert. Und damit auch nur auf Versäumnisse der Baugesellschaft reagiert, wie sie sagen. Am Mittwoch hat die Baugesellschaft vorerst Entwarnung verkündet: Die Frist wird zurückgenommen, dafür wird es ein Treffen mit den Anwohnern geben, um alles weitere zu besprechen, sagte Ulrich Bittner, Geschäftsführer der BML, auf Anfrage. Der Streit ist damit aber nicht beigelegt. Die meisten Pflanzen werden entfernt werden müssen, meint Bittner. Die Bepflanzung der gemeinschaftlichen Grünflächen sei nicht Sache der Mieter, zudem seien viele Pflanzenarten nicht im Landschaftsplan vorgesehen.

Gärtnern unerwünscht: Peter Richter, Heinz Galinski und Christa Roßmayr (von links) haben in der Ödnis ihrer Wohnanlage Rhododendren, Rosen und Lavendel gepflanzt. Die Hecke, die als Sichtschutz vorgesehen war, war nur kniehoch und verlor zudem schon früh ihr Laub. (Foto: Florian Peljak)

Der Streit zwischen der Baugesellschaft und einigen Anwohnern der Anlage hat sich seit Monaten aufgeschaukelt und zeigt, wie groß die Kluft zwischen Mieterbedürfnissen und Richtlinien sein kann. Als die Mieter im August 2018 die Wohnanlage bezogen, waren die Außenanlagen noch nicht fertiggestellt und es gab eine lange Liste von Baumängeln wie defekte Lichtschalter, eine offenstehende Tiefgarage, sich ablösende Böden oder ein ständig brennendes Außenlicht, ausgelöst durch einen überempfindlichen Bewegungsmelder, berichteten sie bei einer privat organisierten Anwohnerversammlung am Montag.

Außerdem wunderten sie sich über einige Besonderheiten der Planung: einen wuchtigen Freiflächensitz aus Metall, den sie "Bushaltestelle" getauft haben, eine Kinderspielplatzausstattung, obwohl es sich um Seniorenwohnen handelt, oder Metallplatten als Sichtschutz vor den Küchenfenstern, die die Wohnungen aber verdunkeln. Baumängel seien bei neuen Anlagen üblich, sagt Bittner dazu. Man gehe denen auch nach, aber die Auftragsbücher der Handwerker seien so ausgelastet, dass es einfach dauern werde.

Einladend sieht anders aus Die Außenanlagen der Wohnanlage wirken ungepflegt. (Foto: Florian Peljak)

Erst im Frühjahr dieses Jahres wurden die Außenanlagen durch eine Gartenbaufirma bepflanzt, was in den Augen einiger Mieter jedoch lieblos geschah und viel dürftiger ausfiel als versprochen. Einem Mieter, Peter Richter, sei eine Hecke mit Sichtschutz zugesagt gewesen, erhalten habe er nur eine kniehohe, inzwischen vertrocknet aussehende Buchenhecke. Denn laut den Mietern hat die Pflanzen im heißen Sommer 2019 niemand gegossen. Schließlich wollten sie nicht mehr länger zuschauen wie alles vertrocknete, ergriffen selbst Initiative, kauften Gartenschläuche, bewässerten die Anlage aus den beiden öffentlichen Wasserhähnen, pflanzten Büsche und Blumen und schafften einen Rasenmäher an, um die Grünflächen selbst zu pflegen. Von den Nachbarn hätten sie viel Zuspruch erhalten, zu ihnen gehört Gemeinderat Hermann Nafziger (CSU). Er bezeichnete die Anfangsbepflanzung der Gartenbaufirma ebenfalls als "dürftig" und fügt hinzu: "Da hätte man mehr machen können." Er finde das Engagement der Anwohner erfreulich.

Nun soll all das wieder weg, an die 80 bis 100 Pflanzen sollen es laut BML sein, die privat gepflanzt worden seien, "diese Menge sprengt den Rahmen, in dem private Anpflanzungen im Gemeinschaftsbereich toleriert werden können", heißt es in dem Brief der BML an alle Mieter. Bittner räumt ein, dass es Probleme mit der Gartenbaufirma gibt und auch, dass nicht so bewässert wurde, wie es hätte sein müssen. Es sei jedoch an der Firma, diese Pflanzen zu ersetzen und an der BML, Gewährleistungsrechte geltend zu machen.

Die Senioren rätseln, was sie mit der Kinderschaukel anfangen sollen. (Foto: Florian Peljak)

Er erinnert daran, dass die Grünflächen nicht Teil des Mietverhältnisses seien. Nicht zuletzt sei die Anlage von der Gartenbaufirma und auch vom Hausmeister zu pflegen - die vielen Pflanzen führten nun aber zu einem Mehraufwand, der nicht im Budget vorgesehen sei. Auch das Wässern der Pflanzen aus den öffentlichen Wasserhähnen sei nicht zu tolerieren, sagte Bittner, auch wenn es, zugegebenermaßen, nur um Centbeträge gehe. Die Mieter hätten damit auch ihre privaten Pflanzen gegossen, die Wasserrechnung werde aber auf alle Mieter umgelegt, darüber habe es Beschwerden geben.

Planeggs Bürgermeister Heinrich Hofmann (SPD) gewährt der BML Schützenhilfe. Es seien engagierte Bürger, aber mit den Pflanzen seien sie übers Ziel hinausgeschossen, sie hätten die allgemeine Grünfläche "in Besitz genommen". Gemeinderat Max Gum-Bauer (FWD) hat den Eindruck, dass eine Aussprache angesagt ist, sagt er auf Anfrage. Vertreter der BML, der Gemeindeverwaltung, des Gemeinderats aber auch die Mieter selbst, die in seinen Augen auch ein Mitspracherecht haben, müssten sich an einen Tisch setzen.

Etwas seltsam ist unter andrem der Unterstand. (Foto: Florian Peljak)

Tatsächlich ist es der Kommunikationsstil, der die Mieter am meisten stört, das wird bei dem Treffen am Montag deutlich. Bei der BML fühlen sie sich nicht ernst genommen, auf Beschwerden gebe es oft gar keine Reaktion, das Vertrauensverhältnis sei zerrüttet, da sind sich Mieter wie Otto und Angelika Ziegler, Katharina Aigner, Peter Richter und Heinz Gajewski am Montag einig. Man wohne gerne hier, betonen sie, aber die Art und Weise, wie mit ihnen umgegangen werde, sei inakzeptabel. Die Verwendung des Wassers aus den beiden öffentlichen Wasserhähnen sei ihnen sogar als Diebstahl ausgelegt worden. Und dass sie lieber den Pflanzen beim Vertrocknen hätten zusehen sollen, als sie kurzerhand zu gießen, dass Rechtskonformität vor Lebenspraxis gehen soll - das will einfach nicht in ihre Köpfe.

© SZ vom 23.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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