Verkehr:Ausgebremst von Fledermaus und Co.

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Nach jahrelangem Vorlauf sollte in diesem Sommer mit dem vierspurigen Ausbau des Föhringer Rings über die Isar begonnen werden. Doch weil inzwischen die Naturschutzauflagen verschärft wurden, verzögern sich die Arbeiten.

Von Irmengard Gnau, Unterföhring/München

Sommerzeit ist Baustellenzeit. Wenn viele im Urlaub sind und weniger pendeln, rollen Bagger auf den Straßen. Auch am Föhringer Ring sollten eigentlich schon die Arbeiten laufen, damit in fünf Jahren die Autos im Münchner Norden auf insgesamt vier Spuren über die Isar rollen können. Doch das Großprojekt steht still - ausgebremst gewissermaßen von Fledermaus und Co.

Schon seit Jahren weiß die Stadtpolitik, dass die Herzog-Heinrich-Brücke - erbaut Anfang der Sechzigerjahre - dem Verkehrsansturm im Münchner Norden nicht mehr lange standhalten kann. Fast 47 000 Autos und Lastwagen wälzen sich nach aktuellen Zählungen jeden Werktag über den Föhringer Ring; bis 2025 werden es bis zu 74 000, zudem immer schwerere Fahrzeuge sein, erwartet das zuständige Staatliche Bauamt Freising. Darum gibt es schon lange den Plan, dieses Nadelöhr zwischen München und dem Landkreis von derzeit zwei auf insgesamt vier Spuren zu erweitern. Die alte Herzog-Heinrich-Brücke über die Isar soll dabei ersetzt sowie um eine neue direkt südlich daneben ergänzt werden.

Baurecht dafür besteht bereits seit 2004, doch der Beginn der Arbeiten hat sich immer wieder verschoben. 2010 wurde die Auffahrt von München nach Unterföhring samt Brücke erneuert, danach dauerte es bis 2017, bis der damalige bayerische Bauminister Joachim Herrmann (CSU), der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Unterföhrings Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (PWU) sich auf eine gemeinsame Finanzierung einigten und damit den Baustart freigaben. Anfang 2019 wurden die ersten Bäume gerodet und das Baufeld für den ersten Projektabschnitt, den Bau der neuen Isarbrücke, freigemacht. Doch dann stieß man auf ein Problem.

Das Planfeststellungsverfahren, auf dem die Pläne für die Erweiterung des Föhringer Rings beruhen, liegt inzwischen eben 16 Jahre zurück. "Seit 2004 hat sich das Naturschutzrecht aber grundlegend geändert", sagt Tanja Schiebel. Seit Anfang des Jahres ist die 30-jährige Bau-Ingenieurin Leiterin der Abteilung für die Bundes-, Staats- und Kreisstraßen im Landkreis München und damit zuständig für die Koordination von Großprojekten wie dem Ausbau der A 92, die Bundesstraße 471 und eben auch den Föhringer Ring.

Die Herzog-Heinrich-Brücke überquert den nördlichen Englischen Garten und die Isarauen, ein höchst empfindliches, wertvolles Areal, das nicht nur den Münchnern zur Erholung dient, sondern zum Teil als Flora-Fauna-Habitat-Gebiet auch unter einem hohen Schutz steht. Allein 18 verschiedene Fledermausarten von der Wasserfledermaus über den Großen Abendsegler bis zu den Glattnasen haben Experten bislang dort nachgewiesen, auch Eidechsen und weitere geschützte Tiere haben rund um die Brücke ihren natürlichen Lebensraum.

Unter der Herzog-Heinrich-Brücke verlaufen Gasleitungen. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Baupläne von einst hatten all dies noch nicht umfasst. Baurätin Schiebel und ihre Mitarbeiter müssen daher nun kreativ sein und neue Wege suchen. Zum Beispiel einen geeigneten Zuweg für die Baufahrzeuge, damit diese die Isar von Osten kommend überqueren können, um am westlichen Flussufer dann die Pfeiler für die neue Brücke errichten zu können. Der bisher vorgesehene Weg würde durch geschütztes Gebiet führen, fällt also flach. Eine Alternative wäre ein Umweg über ein Feld. Das aber gehört einem Privatmann, mit dem die Beamten erst über eine temporäre Inanspruchnahme der Fläche bis 2025 oder einen Verkauf verhandeln müssen - was seine Zeit dauert.

Dass derzeit keine Baumaschinen am Föhringer Ring zugange sind, bedeutet also nicht, dass Tanja Schiebel und ihre Kollegen im Bauamt keine Arbeit hätten, eher im Gegenteil. Jede Änderung muss rechtlich und planerisch gedeckt sein. Dazu bereitet Schiebels Abteilung derzeit ein umfassendes Planänderungsverfahren für das Gebiet rund um den Föhringer Ring vor, bis Ende des Jahres soll es an die Regierung von Oberbayern gehen zum weiteren Verfahren und schließlich zur Entscheidung. "Wir stehen ständig in Kontakt mit Umweltschutzexperten in unserem Haus, von extern und bei den Oberen und Unteren Naturschutzbehörden, damit wir möglichst schon während unserer Planung alle Notwendigkeiten bedenken", sagt Schiebel.

Das gleicht oftmals einem Jonglieren. Allein 63 Sparten sind bei dem Projekt zu beteiligen, von der Telekom, deren Glasfaserkabel über die Isar laufen, bis zu den Münchner Stadtwerken, die bisher ihre Gasleitungen über die Brücke führen - heute ist das aus Sicherheitsgründen nicht mehr erlaubt, beim Neubau muss dafür ein kleiner Tunnel unter der Isar gegraben werden. "Das verzögert nicht unbedingt den Bau, aber das müssen wir natürlich auch einplanen", sagt Schiebel mit einem Lächeln.

Die Koordinatoren haben die Interessen der verschiedenen Beteiligten abzuwägen, Naturerhalt und bauliche Praktikabilität, Verkehrsfluss und Lärmschutz. Und natürlich das ganz besondere Umfeld: Wann führt die Isar erfahrungsgemäß wenig Wasser, damit Arbeiten am Flussbett stattfinden können? Wie lassen sich der Schwabinger Bach, der Eiskanal und der Garchinger Mühlbach, die der Föhringer Ring westlich der Isar ebenfalls überquert, während der Brückenbauzeit schützen, ohne dass die Fische darin gestört werden? Welches Material kann für die Lärmschutzwände verwendet werden? Die Betreiber des Aumeister-Biergartens im Englischen Garten wünschen sich durchsichtige Flächen, um Vorbeifahrende anzulocken, doch sind transparente Wände auch für die Fledermäuse erkennbar?

Bei all diesen Überlegungen weiß Projektleiterin Schiebel viele Blicke auf sich gerichtet. Neben München und Unterföhring beobachten auch die Staatsregierung, die Schlösser- und Seenverwaltung, die Bahn und die Anlieger die Baustelle mit Argusaugen. Für Schiebel kein Grund zur Nervosität. "Wir versuchen, das alles zu koordinieren und am Ende die bestmögliche Lösung für alle zu finden", sagt sie. Bis 2025 soll die Erweiterung abgeschlossen sein.

© SZ vom 21.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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