Gerichtsprozess:Warten auf das Schmerzensgeld

Lesezeit: 3 min

Hans-Michael T. sitzt mittlerweile im Rollstuhl. Ihn plagen Schmerzen am ganzen Körper. (Foto: Privat)

Nach einem Verkehrsunfall lag ein Münchner monatelang im Koma. Er hat mehr als 20 Operationen hinter sich, ist heute schwerstbehindert und ein Pflegefall - aber die Generali-Versicherung zahlt nicht. Und das seit acht Jahren.

Von Susi Wimmer

Als Hans-Michael T. an einem Julitag im Sommer 2014 mit seinem Roller durch Haidhausen düste, da war sein Leben noch in Ordnung. Der 52-Jährige arbeitete als pharmazeutisch-technischer Assistent in der Apotheke im Klinikum Rechts der Isar, radelte in seiner Freizeit gerne mit seinem Mountainbike durch das Münchner Umland. Dann der Crash: Eine Autofahrerin übersah ihn in der Breisacher Straße, sein Körper wurde im Radkasten eingeklemmt. Dass Hans-Michael T. überlebt hat, grenzt an ein Wunder. Er lag monatelang im Koma, hat mehr als 20 Operationen hinter und noch einige vor sich, und ist heute schwerstbehindert, ein Pflegefall.

Acht Jahre sind seit dem Unfall vergangen. Und vor Gericht kämpft seine Anwältin Michaela Böhnlein bis heute vergeblich, dass die Generali-Versicherung dem schwerstkranken Mann Schmerzensgeld sowie eine monatliche Rentenzahlung erstattet.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Es ist wieder einmal ein Gerichtstermin anberaumt vor der 17. Zivilkammer am Landgericht München I am Lenbachplatz. Die Vorsitzende Richterin Tamara Karpf wiederholt mantramäßig den Sachverhalt, der "unstreitig" sei. Nämlich dass Hans-Michael T. schwerste Verletzungen erlitten habe, und dass die Versicherung zu haften habe. "Auf was wartet die Beklagte?", fragt sie.

Ja, sagt die Anwältin von Generali, man habe ja einen Vorschuss in Höhe von 50 000 Euro bezahlt und in 2017 eine abschließende Summe von 250 000 Euro und eine monatliche Rente von 500 Euro angeboten. Das habe die Gegenseite abgelehnt mit dem Hinweis, dass davon auszugehen sei, dass sich der Zustand von T. noch weiter verschlechtert habe. Bezüglich der Verschlechterung benötige man noch weitere Unterlagen. "Die haben sie", kontert Anwältin Böhnlein. Trotzdem, so sagt auch Richterin Karpf, könne man bereits mit Teilzahlungen beginnen. "Sie können jeden Monat zahlen ohne Ende." Das "Blockadeverhalten" der Versicherung bei einem Schwerstverletzten binnen acht Jahren stoße auch bei der Kammer auf Unverständnis.

Seinen Kollegen im Rechts der Isar verdankt T. wohl sein Leben. Die Liste seiner Verletzungen füllen drei DIN-A-4-Seiten. Hirnblutungen, ein Riss der Leber und Gallenblase, eine mittlerweile offene Bauchdecke, die dringend operiert werden müsste, Lähmungen auf der rechte Seite bis heute, ein kaputtes Bein. Über ein Jahr lang wurde T. in einer Murnauer Klinik stationär behandelt, es folgten weitere Reha-Maßnahmen. Heute, so erzählt er selbst, versuche er mit Hilfe einer Physiotherapie wieder laufen zu lernen. Er sitzt mittlerweile im Rollstuhl. Ihn plagen Schmerzen am ganzen Körper. Sein altes Leben hat sich verabschiedet. Nur weil eine Autofahrerin kurz mal nicht aufgepasst hat.

Aus seiner Wohnung im ersten Stock ohne Aufzug musste der heute 61-Jährige ausziehen. Michaela Böhnlein, die als Betreuerin bestellt wurde, kümmert sich bis heute um seine Belange. Um eine neue Wohnung, um drei Pflegekräfte, die ihn rund um die Uhr betreuen. Da T. auch noch unter einer Impulskontrollstörung leidet, und unkontrolliert laut herumschreit und um sich schlägt, konnte er nicht in einem Pflegeheim bleiben. Die Schreiben mit der Generali-Versicherung füllen bei Böhnlein mittlerweile unzählige Ordner. "Das war von Anfang an ein Kampf", sagt sie. Man müsse erst alles prüfen, hieß es immer. Die Berichte der Sanitäter wurden angezweifelt, ob T. überhaupt einen Helm trug zum Unfallzeitpunkt und Motorradkleidung.

SZ PlusFall Charlotte Böhringer
:Kommt es zu neuen Ermittlungen zum Parkhaus-Mord?

Benedikt T. wurde 2008 nach einem der längsten Strafprozesse in der Geschichte Münchens zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Urteil war von Anfang an umstritten. Nun meldet sich eine Person, die Ungereimtheiten entdeckt hat.

Von Joachim Mölter

Ihnen fehlten die Gutachten, behauptet die Anwältin von Generali in der Verhandlung. "Das stimmt nicht", sagt die Richterin und zählt alle auf. Ja aber die Gutachten seien nach Aktenlage erstellt worden, windet sich die Anwältin. "Stimmt nicht", sagt Michaela Böhnlein, "er war in der Klinik." Die Richterin sagt: "Wir drehen uns im Kreis." Sie könne nicht verstehen, warum die Beklagte "auf Zeit" spiele. Und dann macht sie den abschließenden Vorschlag: Die Versicherung solle sofort 200 000 Euro als Teilzahlung leisten sowie eine monatliche Rente von 500 Euro rückwirkend ab dem Unfalltag. Herr T. werde nun erneut in Murnau untersucht und eingestellt. Anschließend könne man sich nochmal treffen, mit den neuen Gutachten, und über einen endgültigen Abschluss reden. "Das ist doch ein Signal an den Kläger, der seit acht Jahren wartet."

Sie benötige schon drei Wochen, um das zu besprechen, sagt die Anwältin der Beklagten. "Sie haben doch eine Vollmacht", kontert Böhnlein. Trotzdem, man könne sich erst im Juli dazu äußern, kommt es von der Gegenseite. Und Hans-Michael T. wartet.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusPolizeiskandal in München
:Jäger der Koks-Polizisten

Bei Staatsanwalt Jakob Schmidkonz liefen über drei Jahre lang die Fäden aller Ermittlungen der Soko Nightlife zusammen. Es war der größte Drogenskandal, den die deutsche Polizei jemals gesehen hat. Er sagt: "Wer braucht schon Netflix, wenn er Nightlife hat."

Von Susi Wimmer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: