Ukraine-Krise:Mitarbeiter des Sozialreferats an der Belastungsgrenze

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Aktenstapel, die nicht kleiner werden: Besonders im Jobcenter fehlen jetzt Kräfte. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Krieg in der Ukraine hat dramatische Folgen für das Münchner Sozialreferat. Allein im Jobcenter fehlen 92 Vollzeitstellen.

Von Sven Loerzer

Erst die Corona-Pandemie, dann der Krieg in der Ukraine - die Bewältigung der Folgen der großen Krisen bringen die Beschäftigten des Sozialreferats an die Grenzen ihrer Kräfte. Um überhaupt noch die wichtigsten Aufgaben bewältigen zu können, sind bereits in vielen Bereichen Bearbeitungsstandards abgesenkt worden, weil ausreichend Personal fehlt. Die nächste große Aufgabe steht zum 1. Juni an: Dann werden die Geflüchteten aus der Ukraine, die bisher nach dem Asylbewerberleistungsgesetz versorgt wurden, in die Grundsicherung für Arbeitssuchende und die Grundsicherung im Alter überführt. Allein im Jobcenter sind dafür 92 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzlich nötig.

Die Ukraine-Krise hat dramatische Folgen für das Sozialreferat in allen Bereichen, macht Sozialreferentin Dorothee Schiwy in einem Bericht für den Sozialausschuss des Stadtrats deutlich. Denn noch immer sind auch die Folgen der Corona-Pandemie nicht bewältigt. So mussten Beschäftigte zeitweise an das besonders krisenbelastete Gesundheitsreferat abgeordnet werden. Zugleich stieg aber auch die Nachfrage nach den Dienstleistungen des Sozialreferats. Besonders deutlich zeigte sich das bei der Schuldner- und Insolvenzberatung, wo sich die Zahl der Ratsuchenden von 11 400 (2019) auf 15 600 (2021) erhöht hat. Das Jobcenter verzeichnete einen sprunghaften Anstieg von fast 66 000 Leistungsberechtigten zum Jahresende 2019 bis hin zum historischen Höchststand von knapp 78 000 im März 2021.

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Mehr zu tun habe auch das Stadtjugendamt gehabt, erklärt Schiwy. Vor allem sozial benachteiligte junge Menschen seien häufig auf sich allein gestellt gewesen. Schwieriger und aufwendiger wurde auch die Arbeit für das Wohnungsamt durch die Umsetzung der Corona-Regeln. Und die Sozialbürgerhäuser als Anlaufstellen für Menschen in sozialen Notlagen mussten ihre Unterstützungsangebote erheblich ausweiten.

Nicht nur Unterkünfte müssen laufend geschaffen werden

Insgesamt, betont Schiwy, seien die Beschäftigten des Sozialreferats "einer stetig steigenden Arbeitsbelastung" ausgesetzt. Diese habe in der Pandemie-Zeit noch zugenommen, "nicht zuletzt aufgrund der unverändert angespannten Haushaltslage und krankheitsbedingten Ausfällen". Als Folge der Ukraine-Krise wuchsen die Aufgaben weiter an und es kamen neue hinzu. Nicht nur Unterkünfte müssen laufend geschaffen werden. So erfolgt die Auszahlung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für die rund 8000 Haushalte, die mit etwa 13 400 Personen in privaten Unterkünften untergebracht sind, über die Kassen der Sozialbürgerhäuser. Deshalb seien nahezu alle noch verfügbaren Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter aus der Grundsicherung im Alter und der wirtschaftlichen Jugendhilfe aushilfsweise für die Antragsbearbeitung der Geflüchteten eingesetzt.

Selbst mit weiteren zusätzlich herangezogenen Beschäftigten sei eine umfassende und ordnungsgemäße Antragsbearbeitung nicht gewährleistet, weder für Geflüchtete noch für alte Menschen, deren Rente nicht zum Leben reicht. Man versuche, dringende Fälle vorzuziehen, erklärt Schiwy. "Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Einzelfall dringende Entscheidungen zu spät getroffen werden oder vorhandenes Einkommen nicht ausreichend berücksichtigt wird und damit Leistungen in der falschen Höhe bezahlt werden", räumt sie ein.

Mit dem Wechsel der Geflüchteten aus den Leistungen für Asylbewerber hin zu Hartz IV oder Sozialhilfe zum 1. Juni wird die Situation nicht einfacher. Dorothee Schiwy rechnet damit, dass sich dann das Jobcenter um etwa 11 500 Haushalte zusätzlich kümmern muss. Auf das Amt für Soziale Sicherung kommen etwa 900 Haushalte zu. Allein im Jobcenter müssten demnach bis zu 92 Vollzeitstellen neu geschaffen werden.

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