Gefahr durch Menschenhändler:Diakonie fordert geschützte Bereiche für Frauen aus der Ukraine

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Die Bundespolizei warnt im Hauptbahnhof vor dubiosen Übernachtungsangeboten. (Foto: Florian Peljak)

Frauen, die allein vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind, könnten Opfer von Missbrauch, Ausbeutung und Zwangsprostitution werden. Für sie fordert die Hilfsorganisation nun gesonderte Räume in Bahnhöfen.

Von Thomas Anlauf

Sie haben die Hölle hinter sich - Bombeneinschläge in Wohnhäusern und in Kliniken, sie haben ihre Männer und Verwandte zurücklassen müssen im Krieg und sind nach Westen geflüchtet. Die Flucht aus der Ukraine und die Erinnerungen an ihre zerstörte Heimat haben viele traumatisiert.

In den vergangenen Wochen sind weit mehr als 23 000 Menschen aus den Kriegsgebieten in München angekommen, in der Fremde. Meist werden sie herzlich aufgenommen, Tausende ehrenamtliche Helfer, Hilfsorganisationen und Privatleute unterstützen die oftmals jungen Frauen und ihre Kinder.

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Doch die Diakonie warnt nun eindringlich davor, dass sie in der vermeintlichen Sicherheit Opfer von Menschenhändlern, von Missbrauch, Ausbeutung und Zwangsprostitution werden können. "Frauen, die aus einer Krisensituation in ein fremdes Land kommen, sind oft hilflos und verzweifelt und deshalb besonders gefährdet", sagte am Mittwoch die sozialpolitische Vorständin der Diakonie Deutschland, Maria Loheide, bei einem Pressegespräch in München.

Sie fordert besonders in dieser akuten Situation, dass vor allem an den großen Ankunftsbahnhöfen für Geflüchtete wie München und Berlin gesonderte geschützte Bereiche für Frauen eingerichtet werden. In München gibt es bislang den Ankunftsbereich der Caritas, an dem sich die Geflüchteten zwar informieren, sich aber nicht ausruhen oder betreut werden können. "Es braucht hier eine spezialisierte Beratung", fordert Loheide.

Auch eine hohe Polizeipräsenz gerade am Bahnhof sei wichtig, um die Ankommenden vor Menschenhändlern zu schützen. Dabei ist den Wohlfahrtsverbänden bewusst, dass Ausbeutung und Zwangsprostitution vor allem im privaten Raum stattfinden dürften. "Wir hoffen und erwarten deshalb, dass alle registriert werden, auch in privaten Unterkünften", sagt die Bundesvorständin der Caritas.

In München werden die Ankommenden dazu aufgerufen, sich schnellstmöglich zu registrieren. Doch laut Isabel Schmidhuber vom Evangelischen Hilfswerk in München "müssen sie zum Teil noch immer lange anstehen", obwohl die Zahl der Geflüchteten, die hier Schutz suchen, seit Tagen rückläufig ist. Es sei aber auch wichtig, dass Menschen, die Wohnungen für Geflüchtete anbieten, ebenfalls registriert werden. Somit könnten Missbrauchsfällen besser vorgebeugt werden.

Da sich Geflüchtete aus der Ukraine die ersten 90 Tage nach ihrer Ankunft in Deutschland nicht registrieren lassen müssen, ist völlig unklar, wie viele Menschen aus dem Kriegsgebiet sich in München insgesamt aufhalten. Lediglich diejenigen, die mit Zügen am Hauptbahnhof ankommen, könne man zählen, sagt Schmidhuber. Dazu kommen aber viele, die mit dem eigenen Auto oder mit Bussen oder privaten Hilfsorganisationen in die Stadt kommen.

Wie viele Geflüchtete aus der Ukraine seit Ausbruch des Krieges bereits Opfer von Ausbeutung oder Zwangsprostitution geworden sind, ist nicht bekannt. Die Fachberatungsstelle Jadwiga in München sowie die auf Prostitution spezialisierten Beratungsstellen Mimikry und Marikas befürchten jedoch, dass die Zahl der Frauen aus der Ukraine, die ausgebeutet werden oder in ihrer Not zwangsweise der Prostitution nachgehen, in den kommenden Wochen stark steigen könnte.

Jadwiga hat kürzlich eine Informationsbroschüre auch auf Ukrainisch herausgegeben, worin wichtige Sicherheitshinweise speziell für Frauen aufgelistet sind, die private Unterkünfte suchen: Darin rät die Beratungsstelle zum Beispiel, das Autokennzeichen des Anbieters zu fotografieren, bevor man einsteigt - und das Bild an eine Vertrauensperson zu schicken. Wer eine Wohnung oder ein Zimmer angeboten bekommt, solle sich den Ausweis zeigen lassen und sich Name und Adresse aufschreiben. Schließlich hätten die ukrainischen Geflüchteten das Recht, sich unter dieser Adresse anzumelden und dann von der Stadt auch finanzielle Hilfe zu erhalten.

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