Null Acht Neun:Nur nicht vor meiner Haustür!

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Was waren das für schöne Zeiten, als man noch mitten in der Stadt im Stau stehen durfte! Hier eine Bildmontage, die das Verkehrsaufkommen am Stachus im Jahr 1959 illustrieren soll. (Foto: Kurt Huhle/SZ Photo)

Was sind das für Menschen, die in München sofort mit Petitionsformularen wedeln, wenn sich ihr Umfeld verändert? Sie haben einen Namen.

Glosse von Andreas Schubert

Es gibt auf dem Senioren-Portal Facebook eine ganze Menge Gruppen, die der Vergangenheit nachweinen, was bei besagtem Medium jetzt nicht wirklich überrascht. Da tauschen sich Tausende Nutzer (ohne *innen, gendern tun die da nicht so gerne) auf Seiten aus, die "Hintertupfinger damals" oder "Kleinweilersheim in alten Bildern" oder so ähnlich heißen.

Solche Seiten gibt es auch für München. Und ganz oft geht es darum, wie schön das doch alles vor 50, 60, 70 Jahren war - als Fußgängerzonen noch nicht so überfüllt waren, weil es erstens noch keine gab und man sie zweitens auch gar nicht brauchte.

Damals, in der guten alten Zeit, da stellte man sich mit dem Auto zwischen Marienplatz und Rindermarkt dekorativ in den Stau. Das Chrom blitzte und die Abgase waren der Duft der freien Welt. Der Facebook-User von heute, vielleicht aber auch ein Nostalgie-Bot, kommentiert dies dann reflexartig mit "ach, damals war noch was los in der Stadt".

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Dieses Idyll ist leider längst Vergangenheit. Denn irgendwann war die Stadt so frech, die Autos aus Teilen des Zentrums auszusperren. Bei aller Autoliebe hielt sich der Aufschrei damals in Grenzen. Und es gab noch nicht so viele Menschen, die sich gegen den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs wehrten, als sei er die Krätze.

Heute, in Zeiten der Nimby-Mentalität, ist das anders. Nimby steht für "not in my backyard" (nicht in meinem Hinterhof) und bezeichnet eine Sorte Mensch, die sich mit Veränderungen in ihrem Umfeld eher schwer tut.

Nimby-Menschen, kurz Nimbys, gibt es in München eine ganze Menge. Immer wenn etwas in ihrer Nähe gebaut wird, kommen sie gefolgt von ihrem Anwalt aus der Versenkung und wedeln mit dem Petitionsformular. Besonders aktiv werden sie, wenn der Lebensraum von Autos eingeschränkt werden soll. Wenn ihnen etwas stinkt, dann sind das nicht die Abgase veralteter Diesel-Kisten, sondern die Tatsache, dass sie diese nicht mehr ungeniert in die Luft blasen dürfen.

So einen Schmarrn wie Trambahnen oder verkehrsberuhigte Straßen ohne Parkplätze brauchen Nimbys als Autobesitzer nicht. Ihre politische Heimat haben sie bei der CSU, die das Kürzel als "not in my Bayernland" interpretiert.

Münchens Ober-Nimby B. sitzt übrigens in Bogenhausen und für die CSU im Landtag und gibt sich als tapferer Kämpfer gegen Hochhäuser, Trambahnen und so weiter. Dass dies vielleicht andere gut finden, spielt für ihn keine Rolle. Und dass er jemals für etwas gewesen sei, halten selbst seine treuesten Wähler für ein Gerücht.

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