Uraufführung:Die Wilde und der Wittelsbacher

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Antonia Münchow als Lola Montez und Georg Ringsgwandl als König Ludwig I geben im Cuvilliéstheater ein perfektes Paar ab . (Foto: Friedrich Bungert)

Der Kini lebt: Bei der Premiere von Georg Ringsgwandls "Lola M." im Cuvilliéstheater vermischen sich Fiktion und Wirklichkeit auf herrliche Weise.

Von Christian Mayer

Wie er so da steht im Innenhof der Münchner Residenz, muss man ihn zwangsläufig für den rechtmäßigen König halten, er nimmt genau den Platz ein, der ihm zusteht. Der Künstler, Dichter, Liedermacher, Sänger und Dramatiker Georg Ringsgwandl hält Hof an diesem frühlingshaften Abend, er scheint noch ein wenig zu schwelgen im Beifall des Publikums, denn gerade ist sein neues Stück "Lola M." im Cuvilliéstheater uraufgeführt worden. Was nach einem langen Leidensweg, zwei pandemiebedingt geplatzten Premierenterminen und einer fast schon tollkühn kurzen Vorbereitungszeit beim dritten Anlauf eine Leistung der eigenen Art ist. Deshalb wirkt Ringsgwandl, der in diesem konzertanten Stück über den Aufstieg und Fall der Lola Montez im biedermeierlichen München den König Ludwig I. spielt, sichtlich erleichtert bei der Premierenfeier.

Diese "Lola M." findet ohne Maskenzwang und vor vollem Haus statt - trotz eines Halskatarrhs der Hauptdarstellerin Antonia Münchow. "Wir wollen unbedingt spielen", sagt Residenztheater-Intendant Andreas Beck bei seiner Begrüßung und warnt das Publikum vor eventuellen Aussetzern wegen Heiserkeit. Doch zum Glück hält die Stimme der Lola-Sängerin, die im Lauf des 90-minütigen Abends immer mehr aufdreht. Antonia Münchow verleiht der Figur etwas Schillerndes, Exaltiertes, Frivoles, sie ist die heimliche Herrscherin der Residenz, weil sie über die Gefühle des Monarchen bestimmt. Aber die eigentliche Sensation ist dieser Widergänger des Königs, der die riesige Krone, die über dem Geschehen wie ein Damoklesschwert hängt, aus Liebesblödigkeit verspielt. Ringsgwandl ist ein melancholischer, steifer Pflichtmensch, der schon morgens um fünf Akten studiert, dann aber durch die angebliche spanische Tänzerin aus seiner Einsamkeit gerissen wird und zum verständnisvollen Sugar Daddy mutiert. Schluss mit der Arbeit, her mit der Lebensfreude! Die Wilde und der Wittelsbacher sind ein Herz und eine Seele, auch wenn sie ihn mit jüngeren Burschen ganz unplatonisch hintergeht.

Georg Ringsgwandl hat sich in den letzten Monaten in einen wahren Lola-Montez-Rausch hineingesteigert und drei Dutzend Lieder komponiert. Einige davon sind erst kurz vor der Uraufführung fertig geworden, weshalb die Sänger ein paar Mal improvisieren und vom Blatt ablesen müssen - macht aber nichts, denn das Stück lebt ohnehin vom Gefühlschaos, der Vermischung von Fiktion und Wirklichkeit; dass die Kostüme aus der Werkstatt der Münchner Trachtendesignerin Lola Paltinger stammen, ist mehr als ein skurriles Detail.

Im Grunde ist ja alles genau so gewesen, als Lola Montez 1846 an eben diesem Ort das Herz des Königs im Sturm eroberte und die Bürgerschaft gegen sich aufbrachte: Die Songtexte sind nur leichte Abwandlungen der realen Gesellschaftskomödie, Ringsgwandl hat aus den Liebesbriefen des Königs, den Lebenserinnerungen seiner Geliebten und aus Protestschreiben von Bischöfen und Verwaltungsbeamten die lustigsten Sätze herausgefischt und in Gassenhauer verwandelt.

Beim Umtrunk im Residenzhof möchte man am liebsten noch mal die Lieder hören: das Märchen einer Verführungskünstlerin, die zu mondän war für das kleingeistige München. Im echten Leben steigt Georg Ringsgwandl in einen weißen Sportwagen mit Garmischer Kennzeichen und entschwindet samt seiner Entourage. Keine Sorge: der Kini kommt bald wieder, sobald seine Lolita ruft.

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