Standesamt:Münchens Ort für Ja-Sager

Lesezeit: 3 min

Andrea und Sylvia waren 2009 das erste gleichgeschlechtliche Paar, das im Trausaal 2 des Kreisverwaltungsreferats eine Lebenspartnerschaft einging. (Foto: Robert Haas)

Das größte Standesamt Deutschlands befindet sich im Kreisverwaltungsreferat - in mehr oder weniger romantischer Umgebung. Vor 25 Jahren wurde es eröffnet. Geheiratet wird wie früher, einiges hat sich aber auch verändert.

Von Anne Eberhard

Der Raum ist mit hellem Holz im Stil der Neunzigerjahre getäfelt, die geschwungene Decke gelb-blau getupft. Vorn steht ein Tisch mit einem herbstlichen Gesteck und einer großen Kerze darauf. So festlich, wie es der Anlass vermuten lässt, sieht es hier im Trausaal 2 des Kreisverwaltungsreferats gar nicht aus. Und doch ist er für viele Paare ein besonderer Ort: Hier haben sie sich das Jawort gegeben.

Andrea und Sylvia stehen zum ersten Mal seit 14 Jahren wieder in diesem Raum. Am 2. September 2009, ihrem siebten Jahrestag, haben die beiden Frauen im Standesamt ihre Lebenspartnerschaft eintragen lassen. "Es war total surreal", sagt Andrea und schaut ihre Frau von der Seite an. Das Grinsen, das war damals plötzlich da und ging den ganzen Tag nicht mehr weg. "Am Abend tat mir das Gesicht weh vom ständigen Grinsen", sagt Andrea. Die beiden Frauen waren das erste gleichgeschlechtliche Paar, das hier die Lebenspartnerschaft einging.

Von 1998 bis August 2023 wurden beim Standesamt München 109 366 heterosexuelle und 2119 gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen. Bevor die Ehe für alle eingeführt wurde, begründeten außerdem 1801 gleichgeschlechtliche Paare ihre Lebenspartnerschaften. In diesem Jahr begeht das Standesamt sein 25-jähriges Bestehen: "Wir feiern Silberhochzeit", sagt Leiter Gerhard Benedikt.

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Zu ihrer Trauung in der Rupertstraße 11 fuhren Sylvia und Andrea damals mit der U-Bahn. Dass das möglich war, lag an der Zentralisierung der Standesämter rund ein Jahrzehnt zuvor. 1996 beschloss der Stadtrat die Zusammenlegung von vier Münchner Standesämtern, um Kosten zu sparen. Nur das Standesamt München-Pasing blieb aufgrund historischer Vereinbarungen bis heute eigenständig. Infolge der Zusammenlegung ist das Amt in München heute das größte Standesamt in ganz Deutschland. Der Bezirk umfasst etwa 1,4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Am 13. Oktober 1998 öffnete das zentralisierte Standesamt zum ersten Mal seine Türen.

Am Tag der Eröffnung betrat auch Andrea Deller das Gebäude zum ersten Mal. Sie war die erste Braut, die dort vor 25 Jahren heiratete. "Es hat wahnsinnig geregnet an dem Tag", erinnert sie sich. Bei der Eheschließung war ihre Familie dabei, danach holte eine Kutsche die Vermählten vom Standesamt ab. Die Ehe, die Deller vor 25 Jahren schloss, hielt fünf Jahre. Trotzdem denke sie gern an den Moment zurück. "Es war ein besonderer Tag", sagt sie. "Trubelig, aber super schön."

Andrea Deller war die erste Braut, die vor 25 Jahren im damals neuen Standesamt heiratete. (Foto: Robert Haas)
Der Leiter des Standesamts Gerhard Benedikt (links) zusammen mit Kreisverwaltungsreferentin Hanna Sammüller-Gradl und Oberbürgermeister Dieter Reiter. (Foto: Robert Haas)

Auch der Leiter des Standesamtes, Gerhard Benedikt, war schon bei der Eröffnung dabei. Die Aufgaben des Amtes hätten sich im Laufe der Jahre verändert, sagte er. Die Kirchenaustritte zum Beispiel hätten stetig zugenommen. In 25 Jahren hat das Standesamt 265 146 Kirchenaustritte registriert. Auch die Zahl der beurkundeten Geburten sei gestiegen, bis sie sich im vergangenen Jahr stabilisiert habe. 482 021 Geburten stehen seit 1998 insgesamt 307 420 Sterbefällen gegenüber.

Beurkundungen, Kirchenaustritte, Eheschließungen - all das wurde früher ausschließlich auf Papier festgehalten. Hunderttausende Bücher haben sich so im Laufe der Jahrzehnte angesammelt, sagt Kreisverwaltungsreferentin Hanna Sammüller-Gradl. Um all die Unterlagen unterbringen zu können, wurden beim Bau im dritten und vierten Stock stabile Bodenplatten eingezogen. 1998 stiegen die Standesbeamten dann von Schreibmaschinen auf Computer um, seit 2013 werden die sogenannten Personenstandsfälle mittels elektronischer Signaturkarten erfasst. Bis zur Digitalisierung aller Papiere wird es aber noch Jahre dauern. 7,5 befristete Stellen habe das Standesamt dafür zur Verfügung gestellt bekommen, sagt Sammüller-Gradl.

Das Standesamt entwickelt sich nicht nur technisch weiter, auch gesellschaftliche Entwicklungen machten sich dort bemerkbar, betont Sammüller-Gradl. Derzeit bereiten sich die Beamten bereits auf die vorgesehene Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes vor. Geplant sind unter anderem Schulungen, in denen geschlechtergerechte Sprache geübt wird.

Weiter wie bisher werden dagegen die Trauungen im Standesamt vollzogen - manchmal sogar von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). "Dann bin ich mir sicher, dass ich eine sinnstiftende Tätigkeit ausübe", sagt Reiter. "Und es macht einfach Spaß." Sechs bis acht Mal im Jahr traut Reiter deshalb selbst ein Paar. Zuletzt vermählte er beispielsweise Günther Sigl, den 76-jährigen Sänger der Spider Murphy Gang, und seine Lebensgefährtin Doris Furtmair. "Bisher hat es gut geklappt", sagt Reiter: Alle Paare, die er getraut habe, seien noch immer zusammen.

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