Den einen geht es darum, die Wohnungsnot zu lindern, die anderen befürchten, dass ihnen damit ihre Zukunft verbaut wird. Es sind also Grundsatzfragen, die am Münchner Stadtrand gerade verhandelt werden. Die einen, das sind nahezu alle Stadträte. Sie wollen auf den letzten großen Flächenreserven der Stadt - in Feldmoching und im Nordosten von Bogenhausen - Baurecht schaffen. Die anderen - Anwohner und Grundeigentümer dort - sehen die Größe der geplanten Viertel skeptisch und lehnen das baurechtliche Planungsinstrument ab, mit dem die Stadt arbeitet, die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM).
Das Verhältnis zu den Grundstückseigentümern ist "brutal schwer angeschlagen"
Um den Konflikt zu lösen, steckt der Stadtrat mehr Geld in Überzeugungsarbeit. Am Mittwoch hat der Planungsausschuss mehrheitlich dafür votiert, die Kommunikation für die beiden SEM-Projekte zusammenzulegen und auszubauen. Dafür werden zusätzlich 1,3 Millionen Euro bereitgestellt. Dazu kommt eine Million Euro für eine von Experten begleitete Ideenwerkstatt für die Bürger, die 2024 im Norden stattfinden soll. Ziel ist ein "fachlich fundiertes sowie politisch und öffentlich diskutiertes Planungsszenario".
Aber gerade bei der SEM Nord sei das Verhältnis zu den Grundstückseigentümern "brutal schwer angeschlagen", sagte Dirk Höpner (München-Liste), der wie Jörg Hoffmann (FDP) gegen Ideenwerkstatt und weitere SEM-Vorbereitungen stimmte. Es geht um 900 Hektar Flächen rund um Feldmoching. Etwa die Hälfte ist Agrarland, davon gehören 184 Hektar der Stadt.
Wegen des massiven Widerstands im Norden hatte der Stadtrat unter Rot-Schwarz vorübergehend auf ein Stadtentwicklungsmodell gesetzt, das Kooperation in den Vordergrund stellte, war 2020 mit der grün-roten Rathauskoalition aber zur SEM zurückgekehrt. Sie erleichtert die Entwicklung großer Gebiete mit vielen verschiedenen Eigentümern. Am Ende kann ein Quartier aus einem Guss entstehen, ohne dass auf Grundstückszuschnitte Rücksicht genommen werden muss. Wer nicht mitmacht, kann enteignet werden, und diese Enteignungsdrohung ist Ziel der Kritik.
Eigentümer von über 80 Prozent der Flächen, die die Stadt für die Bebauung untersuchen lassen will, hätten sich darauf festgelegt, an einer SEM nicht mitzuarbeiten, sagte Höpner im Ausschuss - mit notariell beglaubigter Unterschrift. "Ein Papier hinzulegen und zu sagen, sprecht mal mit uns, wird da nicht funktionieren", warnte er. Jörg Hoffmann sagte voraus, dass es viele Klagen geben, das Projekt sich Jahrzehnte hinziehen werde.
Simone Burger (SPD), Florian Schönemann (Grüne) und Brigitte Wolf (Linke) glaubten dagegen nicht an einen Boykott. Die Ideenwerkstatt könne "mehr Klarheit, mehr Griffigkeit in die Debatte" bringen, sagte Burger. Mit den Ideen der Bürger werde das Quartier womöglich lebenswerter, ergänzte Schönemann. Die CSU, die zwar gegen die SEM, aber für Wohnungsbau ist, stimmte der Vorlage zu, auch wenn Heike Kainz "gewisse Zweifel" anmeldete, dass man die Eigentümer einbinden könne.
Die CSU kritisiert, dass das Projekt nur schöngeredet werden soll
Für die Vorbereitung der SEM Nordost dagegen lehnten CSU und Freie Wähler gemeinsam mit FDP und München-Liste mehr Geld und Personal ab. Dort wird seit 2011 eine Fläche von 600 Hektar zwischen Riem, Daglfing und Johanneskirchen untersucht. Der Stadt München gehört ein Drittel, der Rest verteilt sich auf etwa 500 Eigentümer. Die Hälfte dieser Untersuchungsfläche soll Baugrund für einen neuen Stadtteil werden. In acht Abschnitten sind Wohnungen für 30 000 Menschen und Arbeitsplätze für 10 000 Menschen geplant, inklusive Badesee, U- und Trambahn-Anschluss.
Zum Ausbau der Kommunikation im Nordosten sagte Fabian Ewald (CSU): "Eigentlich ist das nur Geld, um den Bürgern die SEM schönzureden." Simone Burger widersprach: Ziel sei nicht, die SEM-Gegner "so lange zuzulabern, bis sie aufgeben". Vielmehr gehe es um Antworten auf Detailfragen, ergänzte Angelika Pilz-Strasser (Grüne). "Wie wird's ausschauen? Wie geht's mit der Landwirtschaft weiter?"